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Lot 1197 Dα

Schreibkommode aus Schloss Versailles

Auktion 1159 - Übersicht Köln
13.11.2020, 09:30 - Kunstgewerbe inkl. Sammlung Renate und Tono Dreßen
Schätzpreis: 45.000 € - 60.000 €

Schreibkommode aus Schloss Versailles

Mahagoni auf Eiche und Weichholz, Messing, feuervergoldete Bronze. Allansichtig gearbeiteter gerader Korpus mit gerundeten Ecken auf hohen zugespitzten Vierkantbeinen. Zwei hohe untere Schübe, frontal zu öffnen, ein flacher weiterer Schub an der rechten Seite. Alle Schübe auf der Front umrissen mit Messingfilets. Unter dem furnierten Blatt eine an einem Griffring ausziehbare Schreiblade. Um das Blatt umlaufende Galeriekante mit Draperie. Schlagstempel "J.G.FROST" unter der hinteren Zarge und schwarz eingebrannter Inventarstempel V unter der linken Zargenseite. H 77, B 56,5, T 37 cm.
Jean Gotlieb Frost, um 1785 - 89.

Über den 1751 in Berlin geborenen Johann Gottlieb Frost sind uns zahlreiche Akteneinträge überliefert. Wie viele andere hervorragende Handwerkskünstler führt er ein turbulentes Leben in einer turbulenten Zeit. 1779 ist er in der Liste der Mitarbeiter der Werkstatt von Abraham und David Roentgen in Neuwied unter Nr. 16 gelistet, allerdings gegenwärtig mit „commis in Paris“. Frost ist bis 1785 vertraglich an Roentgen gebunden und vertreibt die Neuwieder Möbel in Paris. 1782 heiratet er in der lutherischen Kapelle der schwedischen Botschaft in Paris. Er erwirbt am 14. Dezember 1785 den Meistertitel der Stadt Paris und gründet eine eigene Werkstatt unter dem Namen Jean Gotlieb Frost. Im Jahr der Revolution muss er Konkurs anmelden, aber 1790 nimmt er die Arbeit wieder auf unter dem Namen „Frost & Co.“ Nach einem erneuten Konkurs 1791 erhält er Arbeit in der Pariser Polizeipräfektur.


Schreibkommode von Frost (1785-1789)

Die zweischübige Kommode mit herausziehbarer Schreibplatte und seitlichem Auszug wurde von Johann Gottlieb Frost angefertigt. Der ursprünglich aus Berlin stammende Frost begann seine Laufbahn als Mitarbeiter der Werkstatt David Roentgens in Neuwied. Im Rahmen des Aufbaus der Niederlassung der Werkstatt von David Roentgen in Paris, begleitete Frost 1780 seinen Meister, wo er zunächst als Angestellter „commis“ für David Roentgen tätig war.

Nachdem Frost im Jahre 1785 selbst als Meister in die Pariser Corporation des Menuisiers-Ebénistes aufgenommen worden war, übernahm er in eigener Regie die Leitung der Niederlassung Roentgens, bis sein Unternehmen, bedingt durch die von den Unruhen der Revolution ausgelöste Wirtschaftskrise, ein erstes Mal im Herbst 1789 Konkurs anmeldete. Mit der finanziellen Hilfe von J.-B. Colombet unter dem Namen Frost & Cie. neu gegründet, musste das Unternehmen 1792 dennoch endgültig Konkurs anmelden.

Das Möbel zeigt den Schlagstempel von Johann Gottlieb Frost. Daneben zeigt es den Brandstempel V. Diese Inventarmarkierung ist bekannt und wird bei Nicolay als ein Inventarstempel des Schlosses von Versailles ausgewiesen. Da Frost als Lieferant der königlichen Verwaltung der Menus Plaisirs dokumentiert ist, könnte das Möbel über diese Institution nach Versailles gelangt sein.

Das auf den ersten Blick als Kommode dienende Möbel zeichnet sich durch einige Eigenarten im Entwurf aus, die die Vermutung nahelegen , dass wir es bei diesem besonderen Kombinationsmöbel mit einer auf besonderen Wunsch eines Kunden entworfenen Einzelanfertigung zu tun haben.
Die Kombination von Kommode und Schreibmöbel lässt sich auf Vorbilder aus dem englischen und französischen Umfeld ableiten. Das Modell einer Kommode, in deren Fries oder Abschlussprofil sich eine schmaler herauziehbarer Auszug verbirgt, war ein Standardmodell der englischen Möbelherstellung in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.

Kleine Tische mit Schreibplatte und seitlicher Schublade für das Schreibzeug waren zwischen 1778 und 1788, insbesondere von Riesener, in größerer Anzahl für den französischen Königshof angefertigt worden. Es handelte sich um ein Modell, das sich aufgrund seiner leichten Beweglichkeit und vielfachen Verwendbarkeit besonderer Beliebtheit erfreute. Mit einem Geniestreich gelingt es Frost, den Entwurf der englischen Kommode mit Auszug, mit dem französischen Tischmodell von Riesener in einem neuen Möbeltypus zu vereinen.

Der Korpus ist allseitig furniert, was eine freie Aufstellung des Möbels im Raum erlaubt. Die Vorderseite zeigt zwei Schubladen und einen furnierten Auszug unter der Deckplatte. Mit Erfindungsgeist gelingt es Frost, die Frieszone des seitlichen Auszugs auf der Vorderseite durch eine Verblendung zu kaschieren. Die Ecken der Vorderseite sind rund gearbeitet, ein Merkmal von Pariser Korpusmöbeln, das sich in den letzten Jahren vor der Revolution besonderer Beliebtheit erfreut. Die Maserung des Mahagonifurniers ist von ausgesuchter Qualität: Auf der Vorderseite und den Seiten verwendete Frost Furnier mit einem vertikal angeordeneten Maserungsverlauf, für die Rückseite und den Deckel ein horizontales Furnierbild. Die einzelnen Elemente der Konzeption wie Standbeine, Vorderseiten der Schubladen, Frieszone, Seiten und Rücken sind von Fadeneinlagen aus Messing gerahmt, und so visuell als Einzelelemente der Struktur des Möbels hervorgehoben. Zweifache Fadeneinlagen auf den Schubladen und dem Fries heben die funktionalen Elemente der Seiten hervor. Der Verzicht auf dekorative Bronzebeschläge auf dem Korpus ist bemerkenswert. Bronzen finden lediglich als Schuhe zum Schutz der Füße und als Rahmung der Abdeckplatte Verwendung. Das Modell der Bronzen unter den Füßen zeigt einen Kubus, wie man ihn am englischen Modell des spadefoot findet, der auf einer Eichel steht. Das eigenwillige Modell ist bereits aus dem Werk von David Roentgen bekannt, der es für seine ovalen Arbeitstische verwendete. Wahrscheinlich in Paris produziert, wurde dieses Modell später auch von Bernard Molitor und Frost verwendet.

Eine in vergoldeter Bronze gefertigte Balustergalerie über einer Kordel mit Draperie und Quasten rahmt auf drei Seiten die Deckplatte. Das Modell eines Fries mit Textil imitierender Draperie und Quasten ist von Möbeln Martin Carlins bekannt. Das Modell wurde bei dieser Kommode als Galerie umgewandelt und zeichnet sich durch eine nahezu dreidimensionale Fertigung aus. Möglicherweise handelt es sich um ein vom ciséleur-doreur François Rémond angefertigtes Modell. Nach Christian Baulez fertigte Rémond seit 1779 eine bedeutende Anzahl von Bronzen für David Roentgen und später auch für Frost.

Über den Beinen umfasst ein umlaufender Rundstab aus Messing den Korpus. Sowohl Galerie als auch Rundstab akzentuieren die abgerundeten Ecken des Korpus. Die Schlösser sind von einfachen Schlüsselbuchsen in Messing à l'anglaise gefasst. Ohne Zuggriffe werden die Schubladen mit dem Schlüssel, die Schreibplatte mit einem Zugring herausgezogen.

Die Kommode ist ein ausgezeichnetes Beispiel für ein eigenwilliges und zugleich praktisches Kleinmöbel, das den Geist der Assimilation englischer und französischer Modelle in der Perfektion der Ausführung eines kleinformatigen Pariser Luxusmöbels veranschaulicht. Es waren insbesondere diese ungewöhnlichen und sorgfältg ausgeführten Kleinmöbel, die es den zugewanderten deutschen Kunsttischlern erlaubten, sich einen Platz auf dem abgesättigten Pariser Markt der Luxusmöbel zu erobern.

Dr. E.-Ulrich Leben

Literaturhinweise

Für die Informationen zu Frosts Leben s. Roentgenmöbel aus Neuwied, Bad Neustadt 1986, Abb. 659 f. und bei Fabian, Abraham und David Roentgen. Das noch aufgefundene Gesamtwerk ihrer Möbel- und Uhrenkunst in Verbindung mit der Uhrmacherfamilie Kinzing in Neuwied. Leben und Werk, Verzeichnis der Werke, Quellen, Bad Neustadt 1996, S. 286 f.
de Salverte, Les Ebénistes du XVIIIe siècle, Paris 1927, S.131.
Nicolay, L’art et la Manière des maîtres Ebénistes Français au XVIIIe siècle, Tome 2, Paris1986, S. 702.
Baulez,“Tout Paris tire ses bronzes de Paris“ in: Leben, Bernard Molitor, Luxembourg 1995, S.81.