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Lot 310 Nα

Simson mit einem Philister von Pietro und Gian Lorenzo Bernini

Auktion 1208 - Übersicht Köln
17.11.2022, 14:30 - Kunstgewerbe - Skulpturen Bronzen Möbel Teppiche
Schätzpreis: 200.000 € - 300.000 €

Simson mit einem Philister
von Pietro und Gian Lorenzo Bernini

Weißer, grau geäderter Marmor. Bedeutende zweifigurige Skulpturengruppe auf einer fast quadratischen flachen Plinthe mit etwas abgeschrägten Ecken. Der ehemals erhobene Arm verloren, kleinere Abbrüche an den Zehen. Restaurierungen an den Nasen, den Lippen und den auf dem Rücken verschränkten Händen. H 151, Plinthe B 57, T 52 cm.
Rom, Pietro Bernini und Gian Lorenzo Bernini, um 1616 - 1618.

Die Darstellung zeigt die biblische Figur Simson, der nach einer Episode im Alten Testament, Buch der Richter (Ri 15,15-17), mit dem Kieferknochen eines Esels tausend Philister erschlug: "Er fand den noch blutigen Kinnbacken eines Esels, ergriff ihn mit der Hand und erschlug damit tausend Männer. Damals sagte Simson: Mit dem Kinnbacken eines Esels habe ich sie gründlich verprügelt; mit einem Eselskinnbacken habe ich tausend Männer erschlagen. Als er das gesagt hatte, warf er den Kinnbacken weg; daher nannte man den Ort Ramat Lehi (Kinnbackenhöhe)." Die vermutlich symbolische Anzahl der 1000 Philister wird hier durch einen Philister verbildlicht, über den der biblische Held triumphiert.
Die zweifigurige Gruppe befindet sich auf einer quadratischen flachen Plinthe mit abgeschrägten Ecken. Sie ist in der Weise allansichtig durchkomponiert, dass sie komplett umlaufen werden kann und von allen Seiten einen neuen spektakulären Anblick bietet.
Ein Mann mit umgegürteter Tuchdraperie und in den Nacken gelegtem Kopf schreitet über den unbekleideten Mann hinweg, der mit dem Rücken und angewinkelten Beinen auf dem Boden liegt. Der Sieger umfasst mit seiner linken Hand auf dem Rücken das Handgelenk der zur Faust geballten Hand des Besiegten und reißt ihn damit in die Höhe, um ihn so besser mit dem leider verlorenen Eselskiefer zu treffen. Der Bildhauer musste die gewagte Statik seiner Komposition mit einer Stütze unter dem Rücken des gefällten Philisters versehen. Die geschickt genutzte Struktur des grau geäderten Marmors, schräg von links unten nach rechts oben gemasert, unterstützt die Dynamik der Komposition. So wird auch ohne den ehemals erhobenen Arm mit dem Knochen der narrative Zusammenhang deutlich erkennbar.
Die Gruppe wurde entweder als Teil eines Brunnens konzipiert oder bei einer späteren Aufstellung mit Rohren für eine Fontäne versehen. Ein Bleirohr endet im Mund des Philisters, Reste eines Rohrs stecken in der Schulter des abgebrochenen Arms. Da der Arm fehlt, ist es leider nicht möglich, mit Sicherheit zu sagen, wie die ursprünglich geplante Erstverwendung aussah. Es könnte sein, dass das Wasser durch den Arm entspringen sollte und dass später - möglicherweise nach dem Bruch des Arms - die Gruppe modifiziert und ein Kanal in die Öffnung gemeißelt wurde. Dies erklären, dass sich der Kanal nicht nach unten öffnet, sondern nach oben verbunden ist. Außerdem scheint ein Kanal durch den Mund des Simson später geschlossen worden zu sein.
Die traditionelle Zuschreibung dieser Skulpturengruppe erfolgte an den großen Architekten, Bronzegießer und Bildhauer Pietro Tacca (1577 – 1640). Pietro Bernini wurde 1562 in Sesto Fiorentino geboren, eine Stadt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Florenz, wo er auch seine erste bildhauerische Ausbildung genoss. Die „toskanische Matrix“ hat sich in seinem Werk erhalten und findet auch hier ihren Ausdruck in dem stark gekrümmten Körper des unterlegenen Mannes.
In der Skulpturensammlung Staatliche Museen Berlin, Bode Museum, befindet sich ein weiterer Brunnen mit der Figurengruppe Satyr mit Panther, der Pietro Bernini zugeschrieben wird (Inv. 292). Auf den ersten Blick auffällig ist die Verwendung des identisch gemaserten Marmors mit seinen pyrit- und magnetithaltigen Adern, die in Berlin in ähnlicher Weise in die Komposition miteinbezogen werden. Auch die Körperhaltung des Fauns mit dem nach links oben gerichteten Gesicht und den erhobenen Armen, ebenso wie sein feingliedriger Torso lassen unmittelbare Parallelen zu dem hier vorliegenden Werk erkennen. Bacchi zitiert die Konferenz 1999, auf der der legendäre amerikanische Kunsthistoriker Irving Lavin anhand eines Dokumentes die Skulptur von dem bisher vermuteten Jahr 1615 auf 1595 - 98 vordatiert und die Produktion in das florentiner Atelier Pietro Berninis lokalisiert. Zu diesem Zeitpunkt war Gian Lorenzo noch nicht oder gerade geboren. Bacchi stellt die Vordatierung weiterhin zur Diskussion. Dennoch bleiben die gemeinsamen Merkmale beider Skulpturengruppen, die trotz der stärker verwitterten Oberfläche des Samson erkennbar sind.
Im Gutachten zum Samson vergleichen Professor Angelini und Professor Maccherini diese Gruppe mit anderen frühen Werken Gian Lorenzos wie z.B. dem „Jungen mit Drachen“, ebenfalls eine Zusammenarbeit mit dem Vater, aus dem J. Paul Getty Museum (87.SA.42), der Gruppe „Bacchanal: Faun mit Kindern“ in der Sammlung The Metropolitan Museum of Art (1976.92) und dem Hl. Laurentius/San Lorenzo von 1617 aus den Uffizien (Inv. Contini Bonacossi 36). Auch bei diesen Skulpturen sind stiltypische Merkmale Gian Lorenzos festzustellen wie etwa die ähnliche Verwendung der Gradine, die eigentlich ungewöhnlich in der toskanischen Tradition ist, eine "radiale Struktur" der Haare und, unübersehbar, eine ähnliche Fußform mit dem leicht abgestreckten dicken Zeh.
In der Vergangenheit wurde der Zusammenarbeit zwischen Pietro und Gian Lorenzo nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die frühen Werke von Gian Lorenzo wurden vernachlässigt, selbst von zeitgenössischen Biographen wie Baldinucci. Gian Lorenzo arbeitete aktiv daran, den Mythos von sich selbst als enfant prodige zu schaffen und seine frühe Tätigkeit hinter der Werkstatt des Vaters zu verstecken. Deswegen sind eindeutige Zuschreibungen, wie groß der Anteil des jungen Gian Lorenzo an einem Oeuvre aus dem Atelier des Vaters ist, seit Jahrzehnten eine Quelle für kunsthistorische Diskussionen. Andrea Bacchi setzte sich im Katalog der Ausstellung „Gian Lorenzo Bernini. Regista del Barocco“ im Palazzo Venezia in Rom 1999 mit genau diesem Thema auseinander und griff es erneut für den Katalog der Ausstellung in der Villa Borghese 2018 auf (a.a.O., S. 22 ff.) Ohne Zweifel hat Gian Lorenzo im Alter von 17 Jahren bereits Außerordentliches geschaffen, dennoch sind seine Wurzeln im Werk des Vaters erkennbar.
Für die beeindruckende hier vorgestellte Gruppe aus Simson und dem Philister ist die Präzisierung auf einen Schöpfer noch offen, wenn auch Alessandro Angelini und Michele Maccherini den Anteil des großen Gian Lorenzo als maßgeblich bezeichnen.

Zertifikat

Alessandro Angelini und Michele Maccherini, Sansone e il filisteo di Gian Lorenzo e Pietro Bernini, 2003 (wird veröffentlicht).

Provenienz

Albrecht Neuhaus, Würzburg.
Europäische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Filippo Baldinucci, Vita del cavaliere G. Lorenzo Bernino, scultore, architetto, et pittore, Florenz 1682.
Ursula Schlegel, Zum Oeuvre des jungen Gian Lorenzo Bernini, in: Jahrbuch der Berliner Museen 9/1967, S. 274-294.
Charles Avery, Bernini Genius of the Baroque, London 1997.
Alessandro Angelini, Gian Lorenzo Bernini e i Chigi tra Roma e Siena, Siena 1998.
Andrea Bacchi, Del conciliare l’inconciliabile. Da Pietro Bernini a Gian Lorenzo Bernini: commissioni, maturazioni stilistiche e pratiche di bottega, in: Bernardini/ Fagiolo Del'Arci (Hg), Gian Lorenzo Bernini regista del Barocco, catalogue of the exhibition, Milan 1999,
Hans-Ulrich Kessler, Pietro Bernini (1562 – 1629), München 2005.
Irving Lavin, Visible Spirit: The Art of Gianlorenzo Bernini, 2 Bde., London 2007 und 2009.
Andrea Bacchi/Anna Coliva (Hg), Bernini, Rom 2018.