Ernst Ludwig Kirchner - Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen).
Verso: Akte in Wanne - image-1
Ernst Ludwig Kirchner - Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen).
Verso: Akte in Wanne - image-2
Ernst Ludwig Kirchner - Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen).
Verso: Akte in Wanne - image-1Ernst Ludwig Kirchner - Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen).
Verso: Akte in Wanne - image-2

Lot 13 Nα

Ernst Ludwig Kirchner - Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen). Verso: Akte in Wanne

Auktion 1233 - Übersicht Köln
01.12.2023, 18:00 - Evening Sale - Moderne und Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 35.000 € - 45.000 €

Ernst Ludwig Kirchner

Schilflandschaft (An den Moritzburger Teichen).
Verso: Akte in Wanne
1909 / Um 1912

Kohlezeichnung bzw. Bleistiftzeichnung auf chamoisfarbenem Papier. 66,5 x 90 cm. Unter Glas gerahmt. Unten rechts zweifach signiert und datiert 'Kirchner 09' und rückseitig unleserlich beschriftet und datiert '09' [beschnitten]. - Rückseitig mit dem Stempel "NACHLASS E.L. KIRCHNER" (Lugt 1570 b) versehen, darin mit Tinte bezeichnet "K Dre/Aa 3a". - Mit unerheblichen Gebrauchsspuren, wenigen kürzeren geschlossenen Randeinrissen und schwachen Feuchtigkeitsspuren an den Seitenrändern. Der Unterrand minimal beschnitten.

Nördlich von Dresden dehnt sich eine weite, von flachen Teichen durchzogene Landschaft rund um das Schloss Moritzburg, Teiche, die vor langer Zeit angelegt wurden, um die königliche Tafel im nahen Dresden mit Fisch zu versorgen. Später entstand dort ein ausgedehntes Erholungsgebiet mit Badeanstalten, zugänglich für jedermann. Eine davon – am Dippelsdorfer Teich gelegen – hielt Ernst Ludwig Kirchner 1909 in einem von leuchtendem Rot bestimmten Gemälde fest. Abseits dieses „offiziellen“ Strandzuganges begann schon bald das heimlich abgelegene „Paradies“ der „Brücke“ – Maler. Verborgen hinter Büschen und Bäumen aquarellierten hier Erich Heckel und Max Pechstein das wunderbare Kindmodell ‚Fränzi‘. Hier füllten sich Kirchners Skizzenbücher mit hinreißend spontanen Aktzeichnungen – und hier entstand die vorliegende, ungewöhnlich große Bleistiftzeichnung: Ein weiter Blick vom schilfbestandenen Ufer über die Wasserfläche bis hin zum gegenüberliegenden Ufer mit Schloss Scharfenberg und der Villa ‚Sorgenfrei‘.
Was so friedlich daherkommt, steckt voller Aufruf zu „Arm- und Lebensfreiheit.“ Unmerklich und doch ganz bewusst gegen das, was die Akademien an unverrückbaren Regeln im Aufbau der Komposition lehrten, zeichnet Kirchner das „Schwere“ oben, das „Leichte“ unten. Flächen schaffende, breite Kohlestriche im oberen Drittel stabilisieren diese unerhörte Verteilung der kompositorischen Gewichte, die sich nach unten immer mehr auflösen und schließlich in einem Gewirr von luftigen Schilfhalmen auflösen. Alles schwebt. Die „Brücke“-Revolution stellt die Welt buchstäblich „auf den Kopf“. Ein in jeder Hinsicht herausragendes Blatt, das die Neuerungen der „Brücke“ – und hier die von Ernst Ludwig Kirchner – verdichtet und in kühnen Entscheidungen festschreibt.
Die Rückseite zeigt einen Entwurf, den der Künstler 1915 in einem Gemälde (Gordon 444 b) weiterführte. Schon um 1912 gibt es eine Zeichnung – heute im Besitz des Kirchner Museums Davos – die zwei Akte in einer Wanne zeigt, nicht, wie sonst zumeist, in einem Tub.

Gerd Presler

Zertifikat

Wir danken Gerd Presler, Weingarten, für die wissenschaftliche Beratung.

Provenienz

Kunsthandel, Berlin; Privatsammlung Schweiz