Mihály Munkácsy - CHRISTUS VOR PILATUS. - image-1

Lot 1472 Dα

Mihály Munkácsy - CHRISTUS VOR PILATUS.

Auktion 920 - Übersicht Köln
17.05.2008, 00:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 70.000 €
Ergebnis: 216.000 € (inkl. Aufgeld)

Signiert unten links: M. Munkacsy. Öl auf Leinwand (doubliert). 65 x 100 cm.

Der Förderer und Kunsthändler von Munkacsy in Paris, Charles Sedelmeyer, besaß zwei sogenannte Skizzen seiner monumentalen, über vier mal sechs Meter großen Komposition "Christus vor Pilatus" (Végvari S. 54). Eine dritte wurde laut Végvary am 6. Dezember 1934 bei Lepke in Berlin versteigert (Végvari, S. 54). In seinem Werkverzeichnis scheint der Autor die Abbildungen jedoch verwechselt zu haben. Denn seine Katalognummer 307 (versteigert bei Lepke, 74 x 111 cm) entspricht in allen Details unserem Gemälde, von dem überliefert ist, dass es aus der Sammlung Lobmeyr stammt und deutlich von dem in Végvaris Katalog abgebildeten Gemälde abweicht. Von seinen Maßen entspricht unser Gemälde sowohl dem aus der Sammlung Lobmeyer als auch der zweiten Fassung aus Sedelmeyers Besitz. Irrtümlich gibt Végvari auch die Signatur auf der rechten Seite an, was für keine der im Katalog abgebildeten Ölskizzen zutreffend ist.
Die Komposition "Christus vor Pilatus" war Munkacsys berühmtestes Werk. Seine Entstehung und seine Wirkung schildert Charles Sedelmeyer ausführlich in seinem Buch "Mihály von Munkacsy. Sein Leben und seine künstlerische Entwicklung" (Paris 1914). Nach der ersten Präsentation in Paris wurde es für mehrere Jahre auf Reisen geschickt: Wien, Budapest, Warschau, Berlin, Stockholm, Brüssel und Amsterdam waren die ersten Stationen. Danach wurde es zwei Jahre lang in England gezeigt, in London, Liverpool, Manchester, Leeds und Glasgow. 1886 brachte Sedelmeyer es schließlich in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo es ebenfalls an verschiedenen Orten ausgestellt wurde. Im April 1887 bot der Gouverneur von Detroit 100.000 Dollar für das Gemälde, wurde aber überboten von John Wanamaker, Generalpostmeister der Vereinigten Staaten, der es seiner Vaterstadt Philadelphia schenkte. Nie bisher hatte ein Bild eines lebenden Malers einen so hohen Preis erzielt.
Die außerordentliche Wirkung des Gemäldes erklärt Végvari mit seinem emotionalen Inhalt. "Christus vor Pilatus" ist keineswegs der Versuch einer Wiederbelebung der katholischen Kirchenmalerei, sondern die Darstellung einer Identifikationsfigur der damaligen Gesellschaft, insbesondere der Ungarischen. Ungarische Kunstkritiker sahen denn auch in dem Christus das Symbol des von Feinden geschändeten Ungarn. Es ist also kein Zufall, dass seine Zeitgenossen in der Figur des von der tobenden Menge umringten Christus einen Anarchisten und Freiheitskämpfer von unerschütterlichem Willen sahen. Christus, so der Autor, ist "eine mit Romantik durchwobene Schöpfung der aufgeklärten positivistischen Geschichtsanschauung des 19. Jahrhunderts, ein der göttlichen Züge entkleideter Jesus Renans, das Symbol der Wahrheit und des höheren Menschen". Munkacsys Gesamtwerk, so der Autor, vereine zwei Gegensätze: "Die ergreifende Tragödie und das heitere Lustspiel. Das tiefe, satte Kolorit wie mächtiger, feierlicher Orgelton dort, und hier die klaren, fröhlichen Farben, wie heitere Musik". Während zu seiner Zeit mehr die feierliche Größe Munkacys bewundert wurde, ist es heute eher das heitere Lustspiel.

Provenienz

Sammlung Sedelmeyer, Paris; Sammlung Lobmeyr, Wien; Österreichische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Auktionskatalog Wawra, Wien, Versteigerung der Ölgemälde, Aquarelle und Handzeichnungen aus dem Nachlass des Herrn Ludwig Lobmeyr, 22. Oktober 1917, Kat. Nr. 46. - Lajos Végvari: Katalog der Gemälde und Zeichnungen von Mihály Munkacsy, Budapest 1959, S. 54.