Friedrich II. - Genügsamer und bescheidener Auftritt

Der renommierte Historiker und Professor Sir Christopher Clark über Charles Amédée van Loos Bildnis König Friedrich II. von Preußen.

Der französische Maler Charles Amédée van Loo wurde 1748 an den Berliner Hof berufen. In den folgenden zehn Jahren schuf er hier zahlreiche dekorative Arbeiten für die Bauten Friedrich II. Nach einer Beurlaubung im Jahre 1758 kehrte er 1763 von Paris nach Berlin zurück, wo er bis 1769 blieb. Während dieses zweiten Berliner Aufenthaltes malte van Loo zwei Bildnisse des Königs, ein großes repräsentatives Staatsporträt in ganzer Figur, das sich seit 1816 im königlichen Besitz in London befindet, und diese intimere Version, die sich auf die Gesichtszüge des Monarchen konzentriert. Die Einfassung der Büste in einem gemalten steinernen Eichenblattrahmen ist ein häufig eingesetztes Stilelement von van Loo. In seiner Werkliste hat van Loo dieses Bildnis des Königs ausdrücklich als Original bezeichnet, was als eine der äußerst selten stattgefundenen Porträtsitzungen des Modells zu verstehen ist. 

„Dankbarkeit gegen sein Volk ist die erste Tugend eines Monarchen.“

Friedrich der Große ist auf diesem Bild 54 Jahre alt. Mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges war Preußen zur fünften europäischen Großmacht aufgestiegen und der König konnte selbst- und machtbewusst auf ein eindrucksvolles Lebenswerk blicken. Zweifellos war das die gewollte Vorgabe für das große Londoner Bildnis von van Loo. Das vorliegende Bild dagegen zeigt den König in schlichter Uniform und, bis auf den preußischen Orden, bar jeglicher Repräsentationsattribute. Es strahlt einen leicht melancholischen Ausdruck aus mit den fest verschlossenen Lippen, dem in der Ferne verlorenen Blick und dem schütteren grauen Haaransatz. Dies ist weniger ein Herrscherbildnis, als vielmehr ein privates Porträt, dass nach überlieferter Tradition im Besitz seines Bruders Prinz Heinrich von Preußen gewesen sein soll.

1768 fertigte Daniel Chodowiecki eine Radierung, bei der es sich um eine seitenverkehrte Reproduktion unseres Bildes handelt. Es ist nicht bekannt, wer diese Druckgrafik nach van Loos Königsporträt veranlasste, wohl aber, dass „das Bildnis des Königs, ähnlich und gut ausgeführt in bedeutender Anzahl verkauft wurde, denn es wurde als Zimmerverzierung benutzt“ (R. Michaelis: Friedrich der Große im Spiegel der Werke des Daniel Nikolaus Chodowiecki. In: Friedrich und die historische Größe, Hg. M. Kaiser und J. Luth, Beiträge des 3. Colloquiums, 2010).