Karl Wilhelm Diefenbach verstörte seine Zeitgenossen mit kühnen Ideen wie Veganismus, Pazifismus, Naturismus und Freikörperkultur. Als Künstler pflegte der deutsche Maler eine eigenständige Interpretation des Symbolismus, deren Rezeption aber im konservativen Kaiserreich vom Schatten seiner umstrittenen Lebensführung verdunkelt wurde.
(...) WeiterlesenKarl Wilhelm Diefenbach – Eine schwere Erkrankung stellte die Weichen neu
Karl Wilhelm Diefenbach wurde am 21. Februar 1851 in Hadamar geboren. Der Sohn des deutschen Malers und Pädagogen Leonhard Diefenbach erhielt seine erste künstlerische Unterweisung durch seinen Vater. Sein dabei zutage tretendes künstlerisches Talent ebnete ihm den Weg zum Studium an der Münchener Kunstakademie, wo er sich besonders für die Werke von Arnold Böcklin und Franz von Stuck begeisterte. Bereits mit seinen frühen Arbeiten konnte Karl Wilhelm Diefenbach auf sich aufmerksam machen und große Anerkennung gewinnen, aber eine schwere Typhus-Erkrankung warf ihn in seiner künstlerischen Laufbahn zurück: Nach einer Operation musste sich der junge Maler mit einem verkrüppelten Arm abfinden und gelangte zu der Überzeugung, dass nur die Naturheilkunde imstande war, seine Gesundheit zu erhalten. Karl Wilhelm Diefenbach wandte sich den Lehren des Vegetarismus-Pioniers Eduard Baltzer und des Naturheilpraktikers Arnold Rikli zu, trat aus der Kirche aus und schloss sich der Freireligiösen Bewegung an.
Der selbsternannte Prophet sorgte für Irritationen
Karl Wilhelm Diefenbach blieb der Malerei treu, fühlte sich aber auch zum Propheten einer neuen, freiheitlichen und naturnahen Lebensphilosophie verbunden. Der Anblick eines malerischen Sonnenaufgangs auf dem Hohenpeißenberg in Oberbayern inspirierte ihn nicht nur zu einem neuen Gemälde, sondern gleich zu einem gänzlich neuen Lebensinhalt: Barfuß und im Leinengewand pilgerte er durch München und missionierte für seine Ideen, die Freikörperkultur, eine vegane Ernährung, Bigamie und überhaupt alles, was dem konservativen Zeitgeist zuwiderlief. Das brachte ihm den Spott der Mehrheitsbevölkerung, den ersten »Nudistenprozess« der deutschen Geschichte und eine immerhin treue Jüngerschar ein, die sich nicht daran störte, dass ihr verehrter Meister in der Presse als »Kohlrabi-Apostel« geschmäht wurde. Als man ihm das Predigen untersagte, zog er schweigend seine Kreise. In dem jungen Maler Hugo Höppner, dem er den Namen »Fidus« gab, fand Karl Wilhelm Diefenbach seinen treuesten Helfer. Gemeinsam waren sie auch künstlerisch tätig und schufen den großen Fries »Per aspera ad astra«.
Die Künstlerkommune »Humanitas« ging bankrott
Karl Wilhelm Diefenbach konnte ungeachtet aller Widrigkeiten 1892 einen großen Ausstellungserfolg feiern, verlor aber infolge betrügerischerer Aktivitäten des Wiener Kunstvereins alle gezeigten Bilder. Er unternahm verschiedene Reisen, unter anderem nach Ägypten, wo er den Bau eines großen Tempels plante, der aber nie verwirklicht wurde. Karl Wilhelm Diefenbach konnte mit Bertha von Suttner und Michael Georg Conrad namhafte Unterstützer für seine Ziele finden; er gründete die Kommune »Humanitas« und versammelte eine Anhängerschar, zu der zeitweilig auch Künstler wie Gusto Gräser, Constantin Parthenis, Franz Kupka und Paul von Spaun gehörten. Während Diefenbach sich selbst diverse Beziehungen mit Frauen gestattete, erwartete er von seinen Anhängern unbedingten Gehorsam und Enthaltsamkeit. Er ging so weit, sogar die Post seiner Jünger zu kontrollieren, bis die Kommune schließlich aufgrund wirtschaftlicher Probleme schließen musste. 1899 zog der Künstler deshalb auf die Insel Capri, wo er späte Erfolge feierte, während er in Deutschland zunehmend in Vergessenheit geriet.
Karl Wilhelm Diefenbach starb am 15. Dezember 1913 auf Capri. Erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod wurde sein künstlerischer Nachlass aufgearbeitet und gewürdigt.
Karl Wilhelm Diefenbach - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: