Martine Franck

Martine Franck wurde am 2. April 1938 als Tochter des belgischen Bankiers Louis Franck und seiner britischen Ehefrau Evelyn in Antwerpen geboren. Unmittelbar nach ihrer Geburt zog die Familie nach London, wo sich der Vater im Folgejahr der britischen Armee anschloss, um im Zweiten Weltkrieg gegen die Nationalsozialisten zu kämpfen. Martine und ihre Mutter wurden in die USA evakuiert, wo sie bis zum Ende des Krieges auf Long Island und in Arizona lebten. Im Alter von sechs Jahren kam Martine Franck in ein Internat, wo sie jeden Tag von ihrer Mutter eine Postkarte erhielt, auf der meist Gemälde als Motive zu sehen waren. Martines Vater war sehr kunstinteressiert, pflegte eine bescheidene Sammlung und nahm seine Tochter oft mit zum Besuch in Galerien und Museen. Auch ihre Lehrerin an der Heathfield School bei Ascot förderte Martine Francks Neigung zur bildenden Kunst und organisierte Ausflüge nach London zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten.

Martine Franck studierte von 1956 bis 1957 Kunstgeschichte an der Universität von Madrid und von 1958 bis 1962 an der École du Louvre (Louvre-Schule) in Paris. In ihrer Abschlussarbeit behandelte sie den französischen Bildhauer Henri Gaudier-Brzeska (1891–1915) und den Einfluss des Kubismus auf die Fotografie und kam dabei zu dem Schluss, dass ihre Stärken nicht im Wort, sondern im Bild lagen. Folgerichtig wandte sich Martine Franck der Fotografie zu. Erste fotografische Versuche unternahm sie mit der Leica ihrer Cousine auf einer Reise in den Fernen Osten, 1964 arbeitete sie als Assistentin der Fotografen Eliot Elisofon (1911–1973) und Gjon Mill (1904–1984) bei Time Life in Frankreich. Ihr großes Talent erlaubte ihr bald den Schritt in die Selbstständigkeit: Ab 1969 erhielt Martine Franck zahlreiche Aufträge von renommierten Zeitschriften wie Life, Sports Illustrated und Vogue, außerdem war sie 48 Jahre lang offizielle Fotografin am Théâtre du Soleil. Von 1970 bis 1971 arbeitete sie bei der Pariser Agentur Agence Vu, 1972 war sie Mitgründerin der Agentur Viva und 1980 wurde sie von der elitären Agentur Magnum als Mitglied nominiert, 1983 erhielt sie die Vollmitgliedschaft.

Martine Franck lernte 1966 den 30 Jahre älteren Henri Cartier-Bresson (1908–2004) kennen, den sie 1970 heiratete. Im Schatten ihres weltberühmten Mannes fühlte sich die Künstlerin unwohl; als ihre erste Einzelausstellung mit seinem Namen beworben wurde, sagte sie diese kurzerhand ab. Dennoch war ihr die Karriere ihres Mannes wichtiger als ihre eigene, und im Jahr 2003 gründete sie mit ihrer Tochter die Fondation Henri-Cartier-Bresson, die sich um seinen Nachlass kümmerte. Martine Franck fotografierte meist in Schwarz-Weiß und wurde für ihren dokumentarischen Stil gerühmt, mit dem sie Kulturschaffende wie den Maler Marc Chagall (1887–1985), den Philosophen Michel Foucault (1926–1984) und den Dichter Seamus Heaney (1939–2013) porträtierte. Sie porträtierte auch marginalisierte Minderheiten wie tibetanische Mönche, hatte ein Auge für emotionale Schnappschüsse und beherrschte eine subtile Bildersprache mit teils surrealen Ansätzen.

Martine Franck starb am 16. August 2012 in Paris.