Naum Gabo sah in Raum und Zeit die einzigen konstitutiven Größen der Realität, den Gebrauch von Farben und Linien lehnte er als unwürdige Nachahmung ab. Mit seinem revolutionären Verständnis der Bildhauerei wurde der russische Künstler zu einer Schlüsselfigur der Avantgarde und zu einem der wichtigsten Vertreter des Konstruktivismus.
(...) WeiterlesenNaum Gabo - Ein rebellischer Geist sucht seinen Weg
Naum Gabo wurde am 5. August 1890 in Brjansk im Russischen Kaiserreich geboren. Er war das sechste von sieben Kindern eines jüdischen Ehepaares, erfuhr in seiner Kindheit aber durch seine Amme eine stark russisch-orthodoxe Prägung. Sein älterer Bruder Antoine Pevsner wandte sich ebenfalls der Kunst zu; der zunächst rege Austausch der Brüder entwickelte sich mit den Jahren aber mehr und mehr zu einer Rivalität. Gabo nahm später seinen Künstlernamen an, um Verwechslungen mit seinem Bruder zu vermeiden. Mit der Obrigkeit tat sich der eigenständige Naum Gabo schwer: Die Schule musste er wegen eines Spottgedichts auf den Rektor vorzeitig verlassen, im Alter von 17 Jahren verhaftete man ihn wegen der Verbreitung von sozialistischem Schriftgut und nur der Einfluss seines Vaters, eines Metallfabrikanten, bewahrte ihn vor dem Gröbsten. 1910 begann Gabo widerstrebend ein Medizinstudium in München, wechselte aber schon bald an die Technische Universität; nebenbei besuchte er kunsthistorischen Vorlesungen bei Heinrich Wölfflin.
Die Erneuerung der Bildhauerkunst
Naum Gabo lernte in München Wassily Kandinsky kennen und begeisterte sich für die Abstraktion. Eine zu Fuß unternommene Exkursion durch Norditalien brachte ihn zu der Überzeugung, dass die bildende Kunst eine Zäsur benötige und beschäftigte sich mit einer neuen Form der Skulptur. 1913 schloss er sich seinem Bruder Antoine Pevsner in Paris an, wo dieser sich bereits als Maler etabliert hatte. In dieser Zeit konnte Naum Gabo mit seinen ersten bildhauerischen Arbeiten, bei denen er von seinem Ingenieursstudium profitierte, auf sich aufmerksam machen. Der Erste Weltkrieg trieb ihn mit seinem Bruder Alexei nach Oslo, wo er von dem Geld seiner Eltern lebte und seine künstlerischen Ideen und Konzepte weiterentwickelte. 1917 kehrte er nach dem Ende der Oktoberrevolution nach Russland zurück. Während seine bildhauerischen Entwürfe immer gewagter und monumentaler wurden, boten die äußeren Verhältnisse immer weniger Möglichkeiten, diese auch in die Tat umsetzen. In Zeiten der Armut und Krise konnte Naum Gabo auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs seine Kunst nur theoretisch vermitteln: Gemeinsam mit seinem Bruder Antoine Pevsner veröffentlichte er das Realistische Manifest, das Kubismus und Futurismus vorwarf, die Abstraktion nicht konsequent auszuführen, die Grundsätze eines reinen Konstruktivismus verkündete und einen ganz erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Bildhauerei ausübte. Grundgedanke von Gabos Kunstverständnis war, dass die Skulptur nicht mehr geformte Masse, sondern Konstruktion aus gekreuzten Flächen sein sollte. Es ging ihm um nichts weniger als um die Vision einer neuen Ordnung.
Verfolgung durch Kommunisten und Nationalsozialisten
Naum Gabo, der neben seiner Muttersprache Russisch auch Deutsch, Französisch und Englisch fließend beherrschte, konnte sich in der internationalen Kunstszene mit Leichtigkeit verständigen und behaupten, hatte den vorherrschenden politischen Ideologien aber nichts entgegenzusetzen: Nach seiner erfolgreichen Teilnahme an der Ersten Russischen Kunstausstellung Berlin 1922, auf der er eine Vielzahl seiner konstruktivistischen Werke zeigen konnte, war er in Russland nicht mehr wohlgelitten, weil seine künstlerischen Prinzipien nicht mit den kommunistischen Vorgaben übereinstimmten. 1937 heiratete er mit der amerikanischen Malerin Miriam Pevsner eine Großnichte des Malers Jozef Israëls und musste miterleben, wie die Nationalsozialisten seine Kunst als »entartet« diffamierten und drei seiner Zeichnungen beschlagnahmten und vernichteten. In den USA fand Naum Gabo sichere Unterkunft, lehrte an der Harvard University in Boston Architektur und setzte seine künstlerische Arbeit fort. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm er zweimal an der Documenta in Kassel teil.
Naum Gabo starb am 23. August 1977 in Waterbury im US-Bundesstaat Connecticut.
Naum Gabo (Pevsner) - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: