Evelyn Hofer war eine Pionierin der Farbfotografie und schuf über viele Jahrzehnte hinweg ein umfangreiches Oeuvre, das sie zu einer der berühmtesten Fotografinnen der jüngeren Fotografie-Geschichte machte. Trotzdem war sie in der Öffentlichkeit kaum bekannt und stand lange Zeit im Schatten ihrer männlichen Kollegen.
(...) WeiterlesenEvelyn Hofer lernte bei Robert Spreng und Hans Finsler
Evelyn Hofer wurde am 21. Januar 1922 in Marburg an der Lahn geboren. Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht drängten, zog sie mit ihren freiheitlich-demokratisch gesinnten Eltern und ihrer älteren Schwester in die Schweiz und nach Spanien. In Genf besuchte sie ab 1935 die internationale Schule. Für die Fotografie begeisterte sich Evelyn Hofer früh, und auf den Entschluss, Fotografin zu werden, folgte Unterricht bei Hilmar Lokay (1899–1953) und Robert Spreng (1890–1969) in Basel. Im Anschluss ging sie nach Zürich, wo sie privaten Unterricht bei Hans Finsler (1891–1972) nahm und eine Lehre in einem ansässigen Fotostudio absolvierte. Der Zweite Weltkrieg veranlasste die Familie Hofer 1942 erneut zur Auswanderung, diesmal führte der Weg nach Mexiko-Stadt. Von dort aus zog Evelyn Hofer 1946 allein weiter nach New York City, um sich dort eine Existenz als Fotografin aufzubauen.
Aufträge von Modezeitschriften und Buch-Autoren
Evelyn Hofer konnte sich in New York bald als Modefotografin etablieren und erhielt Aufträge von renommierten Modezeitschriften wie Harper's Bazaar und Vogue. Der aus Russland stammende Grafikdesigner Alexei Brodowitsch (1898–1971), der maßgeblich den Stil von Harper's Bazaar geprägt hatte, hielt große Stücke auf Evelyn Hofer, die außerdem Freundschaften mit Hans Namuth (1915–1990), Saul Steinberg (1914–1999) und Richard Lindner (1901–1978) pflegte. Besonders bedeutend war Evelyn Hofers Arbeit für Mary McCarthy (1912–1989), die ihr zu einem frühen Zeitpunkt in ihrer Karriere viele Türen öffnete. Immer wieder arbeitete sie im Lauf ihrer langen Karriere mit Autoren zusammen und ergänzte deren Werk um wichtige Bilder, darunter William Walton (1902–1983), Jan Morris (1926–2020) und V. S. Pritchett (1900–1997). Sie fotografierte Menschen, Städte und Landschaften mit ihrer eigenen Interpretation der Straßenfotografie, die Authentizität mit Intimität und Würde verband.
Experimente mit Farben im großen Format
Evelyn Hofer legte nahezu alle ihre Bilder wie ein Porträt an und verlieh nach Meinung ihrer Kritiker selbst bloßen Objekten eine lyrische und dramatische Anmutung. Für die Künstlerin war es wichtig, ihre Modelle nicht gestellt, sondern wirklichkeitsnah und authentisch zu zeigen – wobei sie die Ansicht vertrat, dass sie als Fotografin letzten Endes immer sich selbst im Sucher sah. Evelyn Hofer zeigte in ihrer Bildsprache eine Tendenz zur Neuen Sachlichkeit, knüpfte an die Lehren von August Sander (1876–1964) an und nutzte als eine der ersten Fotografinnen eine Farbbildkamera im großen Format, an dem sie beharrlich festhielt. Zu einer Zeit, als die Schwarz-Weiß-Fotografie noch immer als Königsdisziplin der Fotokunst galt, experimentierte sie umfassend mit Farbe. Im großen Format fotografierte sie vor allem die kleinen Leute: Migranten, Arbeiter, die einfachen Menschen auf der Straße und in den Randgebieten. Eine Avantgardistin war sie nie, zeitgenössische Strömungen interessierten sie nicht. Sie bediente mit großer handwerklicher Souveränität und Eleganz einen klassischen Stil ohne Effekte und technische Spielereien.
2005 kehrte sie nach Mexiko-Stadt zu ihrer Schwester zurück. Evelyn Hofer starb am 2. November 2009 in Mexiko-Stadt.
Evelyn Hofer - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: