Jan Lukas

Jan Lukas wurde am 10. August 1915 in Budweis (České Budějovice), Tschechien, geboren. Der Sohn eines Kaufmanns sollte eigentlich in die Fußstapfen seines Vaters treten und das Familiengeschäft übernehmen, doch diese väterliche Hoffnung wurde zunichtegemacht durch das Geschenk eines wohlmeinenden Onkels, der dem 12-jährigen Jan eine gebrauchte Kamera überließ. Für Jan Lukas, der sich seit 1927 für die vielfältige Kunstszene Prags begeisterte und selbst Künstler werden wollte, begann damit eine neue Zeitrechnung: Er streifte umher und fotografierte, wann immer es seine Zeit und seine Mittel erlaubten. Mit 15 Jahren erreichte er den 6. Platz eines von Kodak veranstalteten Fotowettbewerbs und mit 19 Jahren fand er eine Anstellung als Fotograf bei der Pariser Fotoagentur des russischen Fotopioniers Pawel Barchan (1876–1942). Im Jahr 1936 war er mit drei Fotografien auf einer Ausstellung der renommierten Prager Galerie Mánes vertreten und erreichte damit europaweite Bekanntheit.

Jan Lukas bereiste in den Folgejahren Palästina, Griechenland, Skandinavien und die Sowjetunion und fing seine Eindrücke mit der Kamera ein, in deren Gebrauch er eine immer größere Meisterschaft bewies. Auf dem Gebiet der fotografischen Porträtkunst zeigte er ein besonderes Gespür, das zu einem seiner berührendsten und bedrückendsten Bilder führte: Das Schwarz-Weiß-Porträt des jüdischen Mädchens Vendulka Voglová (Vogel) mit Nummernschild und Judenstern kurz vor ihrer Deportation nach Theresienstadt. Auch das Wissen, dass dem Mädchen mit seiner Mutter während einem der sogenannten »Todesmärsche« die Flucht gelang und beide den Krieg wie die Shoah überlebten und in Prag mit dem Fotografen Lukas wieder zusammentrafen, ändert nichts an der Beklemmung, die das Bild der von dunklen Vorahnungen belasteten jungen Frau vermittelt. Auch die Beerdigung des tschechoslowakischen Staatsmannes Edvard Beneš (Edward Benesch, 1884–1948) gehört zu den bedeutenden Ereignissen, die Jan Lukas fotografisch auf einzigartige Weise dokumentierte.

Jan Lukas konnte unter dem kommunistischen Regime nur sehr eingeschränkt seiner Tätigkeit als Fotograf nachgehen und sah sich unter dem zunehmenden politischen Druck schließlich gezwungen, sein Heimatland zu verlassen. Im Jahr 1965 gelangte er mit seiner Familie über Italien in die USA, wo sich Jan Lukas der dort populären Street Photography zuwandte. Während er in seiner Heimat einem Veröffentlichungsverbot unterlag, konnte er im weltoffenen New York neue fotografische Akzente setzen. Der Mensch blieb dabei im Mittelpunkt der fotografischen Arbeit, aber vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Kommunismus bewahrte sich der Künstler stets eine skeptische Haltung, die in doppelbödigen Kompositionen und hintergründigen Arrangements zum Ausdruck kam. Neben diesen neuen Ansätzen porträtierte Jan Lukas auch bedeutende Persönlichkeiten wie Ronald Reagan, Henry Kissinger und Richard Nixon.

Jan Lukas starb am 28. August 2006 in New York.