Anna Mahler - Ungestillte Sehnsüchte im Schatten der Mutter
Anna Mahler wurde am 15. Juni 1904 in Wien als Tochter des Komponisten Gustav Mahler und dessen Frau Alma Mahler-Werfel geboren. Als Vierjährige musste sie miterleben, wie ihre ältere Schwester Maria an Diphterie starb, im Alter von sieben Jahren verlor sie ihren Vater. Das ausschweifende Leben Alma Mahler-Werfels bedrückte Anna Mahler und trieb sie mit sechzehn Jahren in eine nur wenige Monate währende, unglückliche Ehe mit dem Dirigenten Rupert Koller, dessen Mutter, die Wiener Malerin Broncia Koller-Pinell, sie sehr bewunderte und als Ersatzmutter ansah. Anna Mahlers nächste Liebe galt der Musik von Johann Sebastian Bach, in deren klarer Struktur und Komposition sie die Ruhe und Sicherheit fand, die sie in ihrem Leben vermisste, und der Person des Komponisten Ernst Krenek, den sie 1924 heiratete. Sie selbst wurde als 17-Jährige zur literarischen Figur: Oskar Kokoschka ließ sie als kluge Ratgeberin Psyche in seinem expressionistischen Theaterstück Orpheus und Eurydike, einer verklausulierten Darstellung seiner Beziehung zu Alma Mahler-Werfel, auftreten und bat Ernst Krenek um Vertonung. Anna Mahler selbst erstellte einen Klavierauszug, aber nach einem knappen Jahr war auch diese zweite Ehe am Ende.
Als Künstlerin blieb Anna Mahler eine Außenseiterin
Anna Mahler begann in Rom ein Studium der Malerei bei Giorgio de Chirico, wandte sich aber bald der Bildhauerei zu. Mit Paul Zsolnay, dem Verleger ihres Stiefvaters Franz Werfel, ging sie eine dritte, ebenfalls kurzlebige Ehe ein, die gemeinsame Tochter Alma Zsonay wuchs beim Vater auf. In Wien wurde Anna Mahlers Atelier zu einem Treffpunkt für die großen Künstlerpersönlichkeiten der Zeit: Artur Schnabel, Wilhelm Furtwängler, Hermann Broch, Carl Zuckmayr, Rudolf Serkin und Bruno Walter waren unter den Besuchern, die sich von Anna Mahler modellieren ließen. Unterweisung in der Bildhauerei empfing sie sporadisch von Fritz Wotruba, dem großen österreichischen Meister der Bildhauerkunst dieser Zeit; ihre künstlerischen Vorbilder erblickte Mahler aber in Aristide Maillol und Auguste Rodin, besonders aber in Wilhelm Lehmbruck. Sie pflegte zeitlebens denselben Stil, meißelte ihre zumeist weiblichen Figuren ausschließlich aus Stein und verließ diesen figürlichen Pfad nie. Neue Strömungen in der Kunst perlten an ihr ab; als Künstlerin blieb sie ein Leben lang Außenseiterin.
Vergeblicher Kampf um öffentliche Anerkennung
Anna Mahler musste als Tochter eines jüdischen Vaters nach dem »Anschluss« Österreichs an Nazi-Deutschland 1939 vor den Nationalsozialisten nach London fliehen. Dort engagierte sie sich in der österreichischen Exilbewegung und heiratete den russischen Dirigenten Anatole Fistoulari, mit dem sie eine weitere Tochter, Marina, bekam. Als Künstlerin musste sie im Exil einen empfindlichen Verlust hinnehmen: Fast das gesamte Frühwerk wurde während des Zweiten Weltkriegs bei alliierten Bombenangriffen auf Berlin und Wien zerstört; lediglich ein Bildniskopf des österreichischen Politikers Kurt Schuschnigg, mit dem sie Mitte der 1930er Jahre eine Affäre hatte, blieb erhalten, weil eine Freundin Anna Mahlers diese rechtzeitig nach London geschmuggelt hatte. Trotz einiger kleinerer Erfolge kämpfte die Künstlerin bis an ihr Lebensende vergeblich um die ersehnte öffentliche Anerkennung. Zuletzt bemühte sie sich um die Errichtung eines fünf Meter Maskenturmes in Los Angeles, der allerdings nicht verwirklicht wurde.
Anna Mahler starb am 3. Juni 1988 in London.
Anna Mahler - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: