Boris Mikhailov

Boris Mikhailov wurde am 25. August 1938 in Charkow in der Ukraine (damals Sowjetunion) geboren. Als Sohn eines Ingenieurehepaars wuchs er in wohlsituierten Verhältnissen auf und konnte an der Technischen Universität Charkow ein Studium der Elektrotechnik absolvieren; 1962 verließ er die Hochschule als Ingenieur. Nach einer zeitweiligen Tätigkeit bei den städtischen Verkehrsbetrieben arbeitete er von 1963 bis 1968 im Raketenbau. Von seinen Vorgesetzten erhielt er eine Kamera, um die Arbeitsprozesse in der staatlichen Fabrik zu dokumentieren, und Boris Mikhailov begann, sich das Fotografieren als Autodidakt anzueignen. Es entstanden erste Bilder für frühe Serien wie Susi und die anderen. Als man ihn beim Entwickeln von Aktfotos seiner Frau überraschte, wurde er vom KGB verhört und unter dem Vorwurf der Pornografie entlassen. Boris Mikhailov fand als Ingenieur bald eine neue Anstellung, fotografierte in seiner Freizeit weiter und dokumentierte den Alltag in der Sowjetunion auf eine Weise, die durchaus als subversiv verstanden werden konnte.

Boris Mikhailov gehörte mit seinen frühen Bildern zur ersten Generation der Charkiwer Schule der Fotografie, konnte seine Arbeiten aber zunächst kaum auf Ausstellungen präsentieren und stellte sie deshalb zu Büchern zusammen. Zunächst wurde man im Ausland auf seine Fotografien aufmerksam; in der Sowjetunion hatte er hingegen bis in die 1990er Jahre hinein einen schweren Stand. Noch 1994 wurde er verhaftet, weil er in einer Galerie Aktaufnahmen von sich selbst präsentiert hatte. Im selben Jahr ermöglichte ihm aber auch ein Stipendium der Syracuse University einen Aufenthalt in New York, zwei Jahre später führte ihn ein weiteres Stipendium zum ersten Mal nach Deutschland. Von 1996 bis 1997 erhielt er ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und lebte in Berlin, das ihm zu einer zweiten Heimat wurde. Seine Fotoserien schwankten zwischen Verrücktheit, Poesie und Erotik, er experimentierte mit Doppelbelichtungen, übermalte seine Bilder mit Buntstiften oder beschrieb sie mit Worten. Für die Serie Ich bin nicht ich (1992) fotografierte er sich selbst nackt mit Dildo und Klistier.

Boris Mikhailov erlangte große internationale Bekanntheit durch die Bilder, die er nach dem Zerfall der Sowjetunion Ende der 1990er Jahre von den unteren Schichten des auseinandergebrochenen Großreichs machte. Die Serie Case History (1997–1999) umfasste 400 Bilder, brachte ihm aber auch den Vorwurf ein, er habe das Schicksal der Armen für seine Zwecke ausgenutzt. Ungeachtet dieser Vorwürfe gilt Boris Mikhailov heute als einer der bedeutendsten Künstler der ehemaligen Sowjetunion und ist mit seinem Werk in den großen Galerien und Museen der Welt vertreten. Für seine Kusnt erhielt Boris Mikhailov Preise und Auszeichnungen, darunter 1997 den Albert-Renger-Patzsch-Preis der Stiftung Dietrich Oppenberg, 2000 den Hasselblad Foundation Award, hH2015 den Goslarer Kaiserring und 2021 den Taras-Schewtschenko-Preis. Seit 2008 gehört er der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste in Berlin an.

 

Boris Mikhailov lebt und arbeitet abwechselnd in Charkov und Berlin.