Lothar Schreyer

Lothar Schreyer - Ein Jurist fordert das etablierte Theater heraus

Lothar Schreyer wurde am 19. Oktober 1886 in Blasewitz bei Dresden geboren. Zunächst schlug er eine ganz und gar unkünstlerische Laufbahn ein und studierte Jura in Berlin, Heidelberg und Leipzig. Schon als Jurist zeigte Lothar Schreyer aber ein Interesse an der Kunst: Seine Dissertation behandelte das künstlerische Miturheberrecht. Im Anschluss an seine Promotion wandte er sich auf vielfältige Weise den Künsten zu. Er verfasste literarische Texte und durchlief bei Emil Milan eine Ausbildung in Theaterregie. Von 1911 bis 1918 arbeitete Lothar Schreyer in Hamburg als Dramaturg am Deutschen Schauspielhaus; 1916 engagierte ihn Herwarth Walden für seine Zeitschrift Der Sturm als Redakteur und Schriftleiter. Großes Aufsehen erregte der Künstler als Leiter der von ihm mitbegründeten expressionistischen Sturm-Bühne in Berlin: Um mit seinen Inszenierungen so drastisch wie möglich mit den altvertrauten Sehgewohnheiten des Publikums zu brechen, ließ er seine Schauspieler mit grotesken Masken und Kostümierungen auftreten – oder gleich ganz nackt. Dabei ging es Lothar Schreyer entweder um das Erreichen einer totalen Konstruktion oder einer totalen Natürlichkeit – eine Herausforderung für Kritik und Publikum des frühen 20. Jahrhunderts.

Die Zeit am Bauhaus endete mit einer Enttäuschung

Lothar Schreyer schrieb selbst zahlreiche Theaterstücke, darunter Titel wie Jungfrau (1917), Nacht (1918) und Kreuzigung (1920). Während seiner Zeit als Theaterregisseur lehrte er außerdem an der Sturm-Schule für Bühnenkunst und Pantomime. 1921 berief Walter Gropius Lothar Schreyer als Meister an das Staatliche Bauhaus Weimar, wo er die Leitung der Bühnenwerkstatt übernahm. Der unerwartete und für Schreyer äußerst schmerzhafte Misserfolg seines Stückes Mondspiel führte allerdings zu einem vorzeitigen Abschied: Nicht das Publikum, sondern seine eigenen Studenten hatten gegen das Aufführungsexperiment, bei dem der Künstler eine Reduktion auf Grundfarben, Grundformen und Grundbewegungen anstrebte, mit Vehemenz protestiert. Adolf Behne vermittelte dem enttäuschten Schreyer eine Lehrtätigkeit am Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Berlin. In der Folge beteiligte sich der pädagogisch engagierte Künstler an der Gründung der Berliner Waldorfschule und leitete zeitweilig die Kunstschule Der Weg. 1928 trat er in leitender Funktion in das Lektorat der Hanseatischen Verlagsanstalt ein.

Fragwürdiges Bekenntnis zum Nationalsozialismus

Lothar Schreyer unterzeichnete im Oktober 1933 das berüchtigte Gelöbnis treuester Gefolgschaft, mit dem 88 Schriftsteller den nationalsozialistischen Führer Adolf Hitler ihrer unbedingten Loyalität versicherten. Dieses Bekenntnis zur Nazi-Diktatur hinderte Schreyer nicht daran, sich umfassend der sakralen Kunst zuzuwenden und zum Katholizismus zu konvertieren. Unter dem Pseudonym Angelus Pauper verfasste er Heiligenlegenden für den Caritasverlag. In den 1930er-Jahren vermengte Schreyer in seiner Kunst religiöse Motive mit völkischer Ideologie. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führte Schreyer die Sturm-Bühne als Kampf-Bühne in Hamburg fort und brachte weiterhin seine selbstverfassten Stücke zur Aufführung.

Lothar Schreyer starb am 18. Juni 1966 in Hamburg.