Henry Wessel gehörte zu den Vordenkern einer neuen Bewegung der Fotografie, des New Topographic Movement, dessen Protagonisten während der 1970er-Jahre mit etablierten Sehgewohnheiten brachen und sich mit dem Einfluss des Menschen auf seine Umwelt beschäftigten. Mehr als vier Jahrzehnte lang veränderte der amerikanische Fotokünstler so die Sehgewohnheiten seines Publikums.
(...) WeiterlesenHenry Wessel - Studium der Psychologie und Fotografie, Bilder von Menschenbauten
Henry Wessel wurde am 28. Juli 1942 in Teaneck im US-Bundesstaat New Jersey geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in der ländlichen Umgebung seiner Heimat, ehe er an der Pennsylvania State University seinen Bachelor in Psychologie erwarb und schließlich in New York an der State University Fotografie studierte. Nachdem er sein Fotografie-Studium mit dem Master beschlossen hatte, zog Henry Wessel nach Los Angeles, um seine Laufbahn als Fotograf voranzutreiben. Schon früh zeigte er Interesse an Motiven, die bislang von Fotografen kaum beachtet wurden. Er fotografierte eine Landschaft, die seine Zeitgenossen bis dahin überhaupt nicht als Landschaft wahrgenommen hatten: Straßen, Häuserfassaden, Garagenauffahrten bildeten den Mittelpunkt seiner Arbeit, bei der er sich von Vorbildern wie Robert Frank, Wright Morris und Garry Winogrand beeinflussen ließ. Nach eigenem Bekunden waren es vor allem die unwirtlichen Verhältnisse eines harten kalifornischen Winters, die Henry Wessel aus der Not heraus zu diesen eigenwilligen Motiven führte.
Autobahnen und Wanderwege führen zu einer neuen Art der Fotografie
Henry Wessel zog mit seinen ersten Arbeiten so viel Aufmerksamkeit und Anerkennung auf sich, dass ihm 1971 ein Guggenheim-Stipendium bewilligt wurde, dank dessen er sein Wunschprojekt, die aufwendige fotografische Dokumentation der Landschaften längs der amerikanischen Autobahnen, umsetzen konnte. Als einer der führenden Köpfe des New Topographic Movement ging es Henry Wessel nicht zuletzt darum, den Einfluss der menschlichen Zivilisation auf die vormals unberührte Natur zu verdeutlichen. Neben den Autobahnen faszinierte ihn der sogenannte Continental Divide, ein 5000 Kilometer langer Wanderweg, der von Kanada nach Mexiko verläuft. Mehrere Jahre lang bereiste Henry Wessel diesen Weg und machte zahllose Fotografien von der sich verändernden Landschaft. Es entstanden faszinierende fotografische Dokumente der Weite und Leere, wie sie nur der amerikanische Westen in dieser Form zu bieten hat. Und in all diese vermeintliche Unberührtheit hinein wirkt doch immer der Mensch, dessen Spuren Wessel mit untrüglichem Gespür aufzeigte.
Der neue Blick auf das Alltägliche erschließt künstlerische Räume
Henry Wessel fand im Alltag eine besondere Ästhetik, die er mit seiner Kamera erschloss und der er mit dem Blick des Künstlers eine ganz eigene Bedeutung verlieh. Das Profane erhielt monumentale Größe und wurde zum Denkmal. Dinge wie der Blick aus dem Wagenfenster, für viele tausend Amerikaner tagein, tagaus eine Selbstverständlichkeit, wurden durch Henry Wessels fotografische Arbeit zu einem Kunstwerk. Im Rahmen seines Projekts Traffic fotografierte der Künstler während seiner häufigen Autofahrten nach San Francisco den vorbeiströmenden Verkehr. Spontanität, Lebendigkeit und bisweilen Chaos zeichnen diese Bilder aus und besitzen gleichzeitig oft eine unerwartete Intimität, wenn die Kamera des Fotografen dem Inneren der vorbeiziehenden Wagen ganz nahe kommt und Ereignisse festhält, die sonst im steten Verkehrsstrom untergehen.
Henry Wessel starb am 20. September 2018 in Point Richmond im US-Bundesstaat Kalifornien.
Henry Wessel - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: