Charles Wilp wollte hoch hinaus – nicht in die Luft, sondern ins All. Weil er kein Raumschiff besaß, ließ er sich eines auf das Dach seines Hauses bauen. Damit konnte er zwar nicht fliegen, aber Aufmerksamkeit erregen, und das war die Meisterdisziplin des deutschen Fotografen, dessen spektakuläre Bilder reihenweise Tabus brachen, Gefühle verletzten und Werbekunden begeisterten.
(...) WeiterlesenCharles Wilp – Die Begeisterung für die Raumfahrt prägte die Karriere
Charles Paul Wilp wurde am 15. September 1932 in Witten geboren. Der enge Bezug zu Kunst und Raumfahrt wurde ihm in die Wiege gelegt, denn seine Mutter, so heißt es, sei eine vorzügliche Pianistin gewesen, die für die Babelsberger Studios Stummfilme untermalt habe, darunter – ganz programmatisch – Die Frau im Mond von Fritz Lang. Darüber hinaus habe sie Verbindungen zu dem Umfeld des deutschen Raketenforschers Wernher von Braun besessen, und so erkläre sich letztlich die Faszination für die Raumfahrt, die den Werbefotografen Charles Wilp ein Leben lang begleitet hat. Inwieweit diese charmante Geschichte der Wirklichkeit entspricht, steht in den Sternen – im irdischen Witten, dem Geburtsort des Künstlers, munkelt man gelegentlich, Wilp sei Sohn eines Dachdeckers gewesen und seine Mutter eine Bauerntochter aus dem Dorf Entrup im Kreis Höxter. In jedem Fall lassen sich die Karriere und die Kunst von Charles Wilp nicht verstehen und erklären ohne das Wissen um die Begeisterung des Künstlers für den Weltraum, und es war immerhin Yves Klein höchstpersönlich, der Wilp in den 1960er Jahren zum Prince of Space erklärte.
Nonnen im Cola-Rausch sorgten für den größten Skandal
Charles Wilp studierte in Aachen Kunst und Wirkungspsychologie und lernte in den USA an der New Yorker Eliteschule des französisch-amerikanischen Industriedesigners Raymond Loewy das Fotografieren – bei keinem Geringeren als der amerikanischen Fotografie-Ikone Man Ray. Zu der fundierten Ausbildung kam ein untrügliches Gespür für skandalträchtige Effekte, die seinen Kampagnen zu großer Reichweite verhalfen. Auch seine wohl bekannteste Werbung funktionierte nach diesem Muster: Für den deutschen Coca-Cola-Konkurrenten Afri-Cola fotografierte er Stars wie Marianne Faithfull, Amanda Lear, Marsha Hunt, Donna Summer und Petula Clark in Nonnengewändern, wie sie mit drogenberauschtem Blick hinter leicht vereisten Scheiben von einem Schluck Afri-Cola in Ekstase versetzt wurden. Das rief 1968 noch Proteste und Anzeigen hervor, in den Medien, durch Werbefachleute und vonseiten der Kirche. Charles Wilp rieb sich die Hände und erklärte später in einem Interview, dass er auf genau solche Reaktionen spekuliert habe. Die Idee zu dieser Kampagne war ihm bei einem Besuch eines amerikanischen Raumfahrtzentrums gekommen, wo der tiefgekühlte flüssige Sauerstoff zur Eisblumenbildung an den Fenstern der Umkleidekabinen der Mitarbeiter geführt hatte, in denen außerdem Pin-Up-Fotos von Schönheiten der 1960er Jahre aufgehängt waren. Mit Erfolg: Der Marktanteil von Afri-Cola stieg zeitweise auf 30 Prozent.
Als »ARTronaut« kommerziell und künstlerisch erfolgreich
Charles Wilp vertrat zwar die Ansicht, dass Werbung zu einem Produkt gehöre wie der elektrische Strom zur Glühbirne, sein Hauptaugenmerk lag aber nicht auf dem Verkauf, sondern auf der Werbekampagne als Gesamtkunstwerk. Geld behalte man nicht, aber den Mythos, pflegte Wilp zu sagen. Der große kommerzielle Erfolg seiner Projekte war ihm trotzdem willkommen, ermöglichte dieser ihm doch die Finanzierung seiner größten Leidenschaft: der Raumfahrt. Er machte Werbung für Puschkin, Pirelli und Volkswagen, realisierte gemeinsame Projekte mit Joseph Beuys, Günther Uecker und Andy Warhol, und selbst der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt ließ sich von Charles Wilp in Imagefragen beraten. Wilp selbst nannte sich in späteren Jahren »ARTronaut« und machte Motive aus der Raumfahrt immer wieder zum Thema seiner Collagen. Zur US-Raumfahrtorganisation NASA pflegte er gute Kontakte, ebenso zur europäischen ESA und zu russischen Vertretern. Seinen größten Traum konnte sich Charles Wilp indes nicht erfüllen: den wirklichen Flug ins All.
Charles Wilp starb am 2. Januar 2005 in Düsseldorf.
Charles Wilp - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: