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Lot 66 Dα

Bedeutender Pokal einer jüdischen Bruderschaft

Auktion 1048 - Übersicht Köln
15.05.2015, 11:00 - Silber
Schätzpreis: 32.000 € - 35.000 €
Ergebnis: 39.680 € (inkl. Aufgeld)

Bedeutender Pokal einer jüdischen Bruderschaft

Silber, getrieben und graviert. Auf quadratischer Plinthe runder Fuß und eingezogener Schaft mit Palmettdekor; die vasenförmige Kuppa entsprechend dekoriert, mit glattem, ausgestelltem Lippenrand. Plinthe, Fuß und Wandung mit zahlreichen hebräischen Gravuren. Marken: Rautenkranzmarke, Weißenfels zugeschrieben, MZ "A...B", wohl Anton August Böhme (1783 - 1833, Fischer Nr. 1805). H 27,5 cm, Gewicht 596 g.
Sachsen oder Sachsen-Anhalt; wohl Weißenfels, Anton August Böhme, um 1820.

Die Übersetzung der hebräischen Inschriften weist unseren Pokal als Becher einer "Gemilut Chassid", einer jüdischen wohltätigen Bruderschaft aus. Dabei handelte es sich wohl um eine Beerdigungsbruderschaft, eine sog. "Chevra Kadisha", deren Zweck es war, durch finanzielle Zuwendungen auch ärmeren Familien eine würdevolle Bestattung nach jüdischem Ritus zu ermöglichen. Die zahlreichen Gravuren stellen nahezu allesamt Namen von Bruderschaftsmitgliedern dar, meist mit dem Zusatz "R", der heute als "Rabbiner", aber auch als "geehrter Herr" oder "gelehrter Herr" übersetzt werden kann.
Die Erwähnung eines Ortsnamens oder einer Datierung fehlt, erwähnt ist aber ein "Hofzahnarzt Hirschfeld" als stellvertretender Schatzmeister der Bruderschaft, möglicherweise handelt es sich hierbei um Friedrich Hirschfeld (1753 - 1820, der als Hof-Dentist zunächst in Weimar, später auch in Oldenburg und schließlich 1812 "bey dem Herzog von Anhalt-Bernburg" erwähnt ist. In einer der Gravuren festgehalten ist auch der Beschluss, jährlich am 15. "Kislev" - dem neunten Monat im jüdischen Kalender - "zur Freude" zusammenzukommen, das entspricht im Gregorianischen Kalender etwa Ende November. An anderer Stelle heißt es: "Wir haben den Becher rein erhalten", d. h., er ist der Bruderschaft unbeschriftet übergeben und dann sukzessive mit den Namen der neu hinzukommenden Mitglieder beschriftet worden. Vergleichbare Pokale befinden sich heute zum Beispiel im Jüdischen Museum in Frankfurt und Worms.

Literaturhinweise

Vgl. zwei Chevra Kadisha Pokale im Jüdischen Museum Frankfurt, abgebildet bei Heuberger (Hg.), Die Pracht der Gebote, Frankfurt 2006, S. 524. Zur versuchsweisen Zuschreibung der Rautenkranzmarke nach Weißenfels vgl. Fischer, Geschichte der Weißenfelser Gold- und Silberschmiede, Weißenfels 2012, S. 11 f.; zu Böhme vgl. ebd., S. 69 f. Zum Hofzahnarzt Hirschfeld vgl. Bernstein, Geschichte der Chirurgie vom Anfange bis auf die jetzige Zeit, Bd. 2, Leipzig 1822, S. 320.