Heinrich Campendonk - Geburt Christi, St. Kolumba, Köln - image-1

Lot 229 D

Heinrich Campendonk - Geburt Christi, St. Kolumba, Köln

Auktion 1051 - Übersicht Köln
29.05.2015, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 80.000 € - 90.000 €

Heinrich Campendonk

Geburt Christi, St. Kolumba, Köln
1943

Glasfenster, 16-teilig 83,5 - 85,5 x 59,7 - 61,6 cm (inkl. Eisenrahmen), gesamt 372 x 278 cm Einzeln in schmalen Eisenleisten gefasst. Unten rechts mit dem Namen des Künstlers und dem Werkstattvermerk versehen sowie datiert und nummeriert "WILHELM DERIX KAISERSWERTH AM RHEIN 1943 / AUSGEFÜHRT / PROF. H. CAMPENDONK ENTWORFEN / 16". - Einzelne Glaskompartimente mit Sprüngen.

Die"Geburt Christi" entstand im Auftrag des Pfarrers Josef Geller als eines von 5 Glasfenstern für die durch Bombenangriffe beschädigte Ostwand der bedeutenden romanischen Kirche St. Kolumba in Köln - die Altaretabeln beispielsweise stammten von der Hand Rogier van der Weydens, heute in der Alten Pinakothek München. Die Glasfenster "Geburt Christi" und die "Auferstehung Christi" waren die einzigen Fenster der Folge, die noch zu Campendonks Lebzeiten während des II. Weltkrieges realisiert wurden. Eingebaut wurden die beiden Fenster aber nicht mehr, da die Kirche 1943 zum größten Teil zerstört worden war. In den Ruinen wurde Ende der 1940er Jahre die Marienkapelle von Gottfried Boehm gebaut, die ab 2003 in den Museumsbau für das Erzbischöfliche Diözesanmuseum Kolumba von Peter Zumthor integriert wurde.
Glas als künstlerisches Medium hatte Campendonk seit seiner Zeit bei der Künstlergruppe "Der blaue Reiter" interessiert, und ab 1926 arbeitete er an Fenstern für öffentliche und Sakralbauten vornehmlich im Rheinland, am Niederrhein und in seinem späteren Exil Holland. Als Schüler von Johann Thorn Prikker war er mit Bildlösungen in großem Format in Wand- und Fenstergestaltungen vertraut und hatte 1921 dessen Nachfolge an der Essener Kunstgewerbeschule, deren Unterricht auch Glas- und Wandmalerei nebst Mosaikentwurf beinhaltete, mit einem Lehrauftrag angetreten.
"Geschult durch die lineare Sprache des Holzschnittes sowie verschiedene Farbtheorien, scheint das Wissen um die Leuchtkraft des transluziden Materials, mit dem er bereits in der Hinterglasmalerei experimentiert hatte, Campendonk besonders für das neue Genre zu befähigen." (Christiane Heiser, Thorn Prikker bringt mir viel. Campendonks Weg zum modernen Kirchenfenster, in: Ausst. Kat. Linnich 2014, op.cit., S. 123).
Pyramidal ist die biblische Szene der Geburt Christi in der Bildfläche nach oben gestaffelt. Während die Mutter- und Kind-Gruppe mit Josef und den Tieren nah zum Betrachter gerückt ist, erscheint in weiter Ferne die Nachricht von der Geburt des Heilands an die Hirten zu ergehen und die Hl. Drei Könige anzuziehen. Einzelne Binnenstrukturen wie etwa die Gesichtszüge sind detailreich mit Schwarzlot gemalt, dreidimensional modulierte Körpervolumina und Bildtiefe entstehen jedoch erst im Zusammenspiel der einzelnen kräftigen Farbfelder, die in sich unvermischt durch Bleistege getrennt sind.
Mit dem hier angebotenen Glasfenster liegt ein sowohl künstlerisch wie stadthistorisch überaus bemerkenswertes und seltenes Artefakt vor.

Werkverzeichnis

Engels 70 mit ganzseitiger Abb. S. 59 (Karton)

Zertifikat

Im handschriftlichen Werkstattbuch von Wilhelm Derix unter der Auftragsnummer 130 verzeichnet

Provenienz

Glasmalereiwerkstatt Wilhelm Derix, Düsseldorf-Kaiserswerth; Privatbesitz Rheinland; Zeitweise Depositum Deutsches Glasmalerei-Museum Linnich

Literaturhinweise

Myriam Wierschowski, Also vertrauen wir weiter und schaffen weiter. Eindrucksvolle Briefdokumente zur Fensterverglasung von St. Kolumba in Köln, in: Ausst. Kat. Linnich 2014, Kristalline Welten - Die Glasgemälde Heinrich Campendonks, S. 145 ff.

Ausstellung

Bornheim-Walberberg 1980 (Dominikaner-Kloster), Ausstellung des Mittelteils des Fensters; Linnich 1996 (Deutsches Glasmalerei-Museum), Ausstellung des Mittelteils des Fensters; Linnich 2014 (Deutsches Glasmalerei-Museum), Kristalline Welten - Die Glasgemälde Heinrich Campendonks, Kat. Nr. 10, ganzseitige Farbabb. S. 189-191