Jewgeni Chaldej - Sowjetische Fahne auf dem Berliner Reichstag, 2. Mai 1945 - image-1

Lot 203 D

Jewgeni Chaldej - Sowjetische Fahne auf dem Berliner Reichstag, 2. Mai 1945

Auktion 1058 - Übersicht Köln
27.11.2015, 14:30 - Photographie
Schätzpreis: 1.400 €
Ergebnis: 1.612 € (inkl. Aufgeld)

Jewgeni Chaldej

Sowjetische Fahne auf dem Berliner Reichstag, 2. Mai 1945
1945

Gelatinesilberabzug um 1990. 22,5 x 29 cm. Rückseitig mit Bleistift signiert.

"Es war am frühen Morgen des 2. Mai 1945. Ich betrat das Reichstagsgebäude. Überall war schrecklicher Lärm: Russen, Deutsche, alle schrien durcheinander. Es rauschte wie ein Wasserfall: Die Deutschen waren empört, dass die Russen kamen. Die Russen jubelten. Ich ging in meiner Marineuniform hinein. Ein junger sympathischer Soldat kam auf mich zu. Ich hatte eine rote Fahne in der Hand. Er sagte: „Leutnant, dawai, lass uns mit der Fahne aufs Dach klettern.“ „Deswegen bin ich ja hier“, sagte ich. Wir gingen los, überall waren die Treppen zerstört. Dann waren wir endlich oben, der Reichstag brannte. Die ganze Hitze und der Rauch zogen in die Kuppel. Er meinte: „Wir wollen auf die Kuppel klettern.“ „Nein“, sagte ich, „da werden wir geräuchert und verbrennen.“ „Na, dann versuchen wir es hier.“ Wir fanden eine lange Stange. Ich suchte lange nach Kompositionsmöglichkeiten. Erst machte ich ein Foto links, nein, das war nicht gut. Es sollte auch etwas von Berlin zu sehen sein. Dann sagte ich: „Jungs, geht und stellt euch dahin und hisst die Fahne an der und der Stelle.“ Es waren drei Soldaten. Einer aus der Ukraine, der andere aus Machatschkala in Dagestan und ein Russe. Überall auf dem Dach des Reichstags waren kleine rote Tücher festgebunden. Unsere Soldaten, Frauen und Männer, stiegen auf das Dach und brachten sie dort an. Aber ich hatte meine Fahne dabei. Ich habe einen ganzen Film verknipst, 36 Bilder. - Ich bin in der Nacht zum 3. Mai nach Moskau geflogen, und das Foto ist sofort veröffentlicht worden. Einige Monate später hat man bemerkt, dass der unten stehende, stützende Soldat an jedem Handgelenk eine Uhr trug. Ich bekam den Auftrag, die rechte Uhr zu retuschieren" (zit. nach Chaldej, in: Ernst Volland/Heinz Krimmer (Hg.), Von Moskau nach Berlin. Bilder des Russischen Fotografen Jewgeni Chaldej, Berlin 1999, S. 64). Dass russische Soldaten den Toten ihre Uhren abnahmen, sollte auf der Photographie nicht zu sehen sein. Chaldej verstand sich selbst als Soldat, das Retuschieren von Photographien zu Propagandazwecken war für ihn eine Selbstverständlichkeit.

Literaturhinweise

Ernst Volland/Heinz Krimmer (Hg.), Von Moskau nach Berlin. Bilder des Russischen Fotografen Jewgeni Chaldej, Berlin 1999, S. 65 mit Abb.