Jewgeni Chaldej

Jewgeni Chaldej wurde am 23. März 1917 als Jewgeni Ananjewitsch Chaldei in Jusowka in der Sowjetunion, dem heutigen Donezk in der Ukraine, geboren. Der Sohn einer jüdisch-ukrainischen Familie verlor seine Mutter bei einem Pogrom, als er gerade ein Jahr alt war. Schon als Kind begeisterte er sich für die Fotografie: Mit zwölf Jahren bastelte er sich seine erste eigene Kamera und erlernte das Fotografieren als Autodidakt. 1930 fotografierte er in einem Stahlwerk die Bestarbeiter, 1933 begann er eine Ausbildung zum Fotolaboranten in seiner Heimatstadt, die inzwischen den Namen Stalino trug. 1936 erhielt Jewgeni Chaldej eine Anstellung bei der staatlichen Nachrichtenagentur TASS (TACC), für die er als Kriegsberichterstatter tätig war. Erst nach Kriegsende erfuhr der Fotograf, wie hart die Schrecken des Zweiten Weltkriegs seine eigene Familie getroffen hatten: Sowohl sein Vater als auch seine drei Schwestern wurden von den Nationalsozialisten ermordet, während er selbst die Kämpfe der sowjetischen Armee dokumentierte.

Jewgeni Chaldej reiste nach eigener Schätzung innerhalb von 1148 Tagen rund 30.000 Kilometer, um für die Fotochronik der TASS das Geschehen an der Front zu fotografieren. Nachdem er mehrere Monate lang den Kämpfen um den strategisch bedeutsamen Hafen von Murmansk beigewohnt hatte, erhielt er seine Beförderung zum Leutnant zur See und durfte zu einer Ausstellung seiner Bilder nach Moskau reisen. 1942 dokumentierte er die Kämpfe auf der Krim und wurde dort Zeuge der dunkelsten Seiten des Krieges. Während der Eroberung Berlins durch die sowjetische Armee gelang Jewgeni Chaldej seine berühmteste Bilderserie: Auf dem Berliner Reichstag, 2. Mai 1945 umfasst 36 Fotografien, die während der Schlacht um Berlin aufgenommen wurden. Geradezu ikonische Bedeutung erlangte das Foto, auf dem das Hissen der Flagge der Sowjetunion auf dem Reichstagsgebäude zu sehen ist. Trotz der unverkennbaren Ähnlichkeit mit dem wenige Monate zuvor entstandenen Bild Raising the Flag on Iwo Jima des amerikanischen Kriegsfotografen Joe Rosenthal ist ungewiss, ob Jewgeni Chaldej die Arbeit seines Kollegen kannte.

Jewgeni Chaldej führte heimlich ein Kriegstagebuch, das seine subjektiven Eindrücke der Geschehnisse festhielt – ein Vorgang, der den sowjetischen Streitkräften an sich streng verboten war. Die Texte wurden erst nach seinem Tod im Jahr 2000 durch seinen Bewunderer und Förderer Ernst Volland veröffentlicht und zeichnen ein ganz anderes Bild vom Krieg als die weltberühmten Fotografien, die der sowjetischen Propaganda zu dienen hatten. Nach dem Krieg fotografierte Chaldej auf der Potsdamer Konferenz, der Moskauer Siegesparade von 1945, während der Nürnberger Prozesse und der Pariser Friedenskonferenz von 1946. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung geriet er allerdings immer stärker in Konflikt mit der stalinistischen Obrigkeit und schließlich verlor er 1948 seine Anstellung bei der TASS und durfte nicht mehr für das Parteiorgan Prawda arbeiten. Jewgeni Chaldej musste sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten und lebte in ärmlichen Verhältnissen, bis Josef Stalin starb. Erst in den 1990er Jahren wurde er durch das Bemühen des deutschen Fotografen Ernst Volland wieder ausgestellt und anerkannt, 1995 begegnete er in Perpignan beim Festival Visa seinem berühmten amerikanischen Kollegen Joe Rosenthal.

 

Jewgeni Chaldej starb am 6. Oktober 1997 in Moskau.