Karl Blossfeldt - Salvia argentea (Silber-Salbei) - image-1

Lot 9 Dα

Karl Blossfeldt - Salvia argentea (Silber-Salbei)

Auktion 1068 - Übersicht Köln
03.06.2016, 14:00 - Photographie
Schätzpreis: 18.000 € - 25.000 €

Karl Blossfeldt

Salvia argentea (Silber-Salbei)
1920-25

Vintage, Gelatinesilberabzug. 29,8 x 23,8 cm. Rückseitig eigenhändig mit Bleistift beziffert '25 hj K 75', mit Nachlassstempel des Archiv Wilde, Köln sowie von Jürgen Wilde mit Bleistift betitelt und bezeichnet 'Originalabzug von Karl Blossfeldt 6 x vergr.'. - Entlang der Kanten leichte Aussilberungen. Unter Passepartout montiert.

„Kunst entsteht erst in der Auswahl der Formen und ihrer Übersetzung, und insofern das Auge wählte und die Kamera übertrug, verwandeln schon Bloßfeldts [sic!] Aufnahmen Erscheinungen der Natur in Formen der Kunst“, bemerkte Curt Glaser, damals Direktor der Berliner Kunstbibliothek, in einer Rezension zu Karl Blossfeldts 1928 erschienenem Buch „Urformen der Kunst“. (zit. nach Inka Graeve-Ingelmann, in: Karl Blossfeldt. Fotografien, Ausst.kat. Pinakothek der Moderne, München, Berlin 2012, S. 25) In dem vom Berliner Galeristen Karl Nierendorf herausgegebenen Band, der Blossfeldt schlagartig zu internationaler Anerkennung verhelfen sollte, ist eine Variante des hier vorliegenden „Silber-Salbeis“ publiziert: Ebenfalls vor neutralem, dunklen Hintergrund aufgenommen, zeigt die Aufnahme dort ein etwas früheres Stadium der Blüte in vierfacher Vergrößerung (Karl Nierendorf (Hg.), Urformen der Kunst. Photographische Pflanzenbilder von Karl Blossfeldt, Berlin 1928, Tafel 61). Beiden Bildern ist jene Eigenschaft zu eigen, die von den Zeitgenossen als genuin photographisch wahrgenommen wurde, nämlich die große Detailgenauigkeit, mit der das Objektiv der Kamera jedes noch so winzige Härchen auf Stängel und Blüten der Pflanze präzise abzubilden vermag. Isoliert und stark vergrößert, gelingt es dem Photographen, einem an sich gewöhnlichen Motiv ein völlig neuartiges Erscheinungsbild abzugewinnen und dem Betrachter damit zu einem erweiterten, „Neuen Sehen“ zu verhelfen. In diesem Zusammenhang ist neben der Detailtreue auch die Aufdeckung und Sichtbarmachung analoger Strukturen zu nennen, die von der zeitgenössischen Kritik hervorgehoben wurde: Mittels der Optik des Apparats wird in Blossfeldts Photographien, um das bekannteste Beispiel zu zitieren, die Ähnlichkeit eines Schachtelhalms zur modernen Hochhausarchitektur evident, die konstruktive Struktur des Silber-Salbeis ähnelt jener eines barocken Lüsters. In der Interpretation des Galeristen Nierendorf belegten Blossfeldts Aufnahmen so die „nahe Verwandtschaft der von Menschengeist geschaffenen mit der naturgewachsenen Form“ (Karl Nierendorf (Hg.), Urformen der Kunst. Photographische Pflanzenbilder von Karl Blossfeldt, Berlin 1928, S. 24). In dieser erhellenden Eigenschaft kamen Blossfeldts Aufnahmen der Idee des Konstruktivisten László Moholy-Nagy von der Photographie als Instrument zur Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung nahe. Entsprechend begeistert wurde sein Werk von Seiten der Avantgarde aufgenommen - Moholy-Nagy etwa präsentierte einige seiner Arbeiten 1929 in der legendären Ausstellung ”Film und Foto“, das Bauhaus in Dessau würdigte ihn im gleichen Jahr mit einer Einzelausstellung.
Blossfeldt, der im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der „Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums“ in Berlin über mehrere Jahrzehnte hinweg weitestgehend unbeachtet mehrere Tausend Pflanzenphotographien erstellt hatte, muss seine Entdeckung als einer der Protagonisten der neusachlichen Photographie überrascht haben, zumal er selbst sich keineswegs als Photograph betrachtete. Dem gelernten Bildhauer und Modelleur hatten seine Aufnahmen einzig und allein als Vorlage für sein Unterrichtsfach „Modellieren nach lebenden Pflanzen“ gedient. Der bereits erwähnte Karl Nierendorf war es, der Blossfeldts einzigartiges Werk in einer schulinternen Ausstellung als solches entdeckte. Im Frühjahr 1926 zeigte er die Photographien des bereits über Sechzigjährigen zusammen mit afrikanischen Plastiken sowie Werken des expressionistischen Künstlers Richard Janthur in seiner Galerie.
Der hier vorliegende Abzug des „Silber-Salbeis“ weist das von Karl Blossfeldt bevorzugte Format von ca. 30 x 24 cm auf und ist auf dem für seine Arbeiten typischen, vergleichsweise dünnen Papier abgezogen. Die rückseitigen Codierungen von Hand des Photographen, eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben, sind bis heute nicht entschlüsselt, vermutet wird ein Zusammenhang zu Blendeneinstellung und Brennweite des Vergrößerungsobjektivs.