Lot 304 Dα

Pastell auf Karton, auf stärkeren Karton aufgelegt 40,5 x 55,5/55,8 cm, unter Glas gerahmt. Unten rechts signiert 'M Liebermann', darüber eine verwischte und dadurch kaum lesbare weitere, wahrscheinlich frühere Signatur in brauner Kreide. - Rückseitig auf der alten Rahmenabdeckung mit einem gedruckten Aufkleber, dort betitelt "Krevettenfischer am Strand", und mit einem Etikett des Kunsthauses Bühler. - In farbfrischer Erhaltung. Im Rand etwas berieben, die Kanten teils leicht bestoßen.

Mit einem Gutachten von Margreet Nouwen, Berlin, vom 18. November 2013

Provenienz
Frau Toni Lessing, Berlin (vor 1927, bis Januar 1933); Dr. Spiro (Januar 1933 bis 11. Juli 1933); Dr. Zacharias (seit 11. Juli 1933); Helga Täubler, Berlin/New York; Mes. Ader, Picard, Tajan, Hôtel George V, Paris, 22. Juni 1988, Kat. Nr. 14 mit Farbabb.; Galerie Dr. Bühler, München, August 1988; Privatsammlung Deutschland; Kunsthaus Bühler, Stuttgart, Nov./Dez. 2007, Privatsammlung Norddeutschland

Ausstellung
Berlin Juli/August 1927 (Galerie Bruno Cassirer), Zum 80. Geburtstag von Max Liebermann. Ausstellung von achtzig Pastellen, Kat. Nr. 41 "Muschelfischer mit Karren", o. Abb.; München 1988 (Galerie Dr. Bühler), Aquarell - Pastell - Zeichnung, Kat. Nr. 31 mit Farbabb.

Literatur
Max Deri, Hors d'Oeuvre, in B.Z. am Mittag, Berlin 4.7.1927 (Rezension der Ausstellung bei Bruno Cassirer)

In unserem Pastell wird zum einen Liebermanns Meisterschaft in dieser Technik deutlich, mit der er in impressionistischer Manier eine Szenerie von betörender Lichtstimmung schafft. Zum anderen ist die Arbeit ein Beispiel für das ehrliche und unsentimentale Interesse, das der Maler den Alltagstätigkeiten des einfachen Volkes entgegenbrachte.
Vor einem hohen, hellgrauen Horizont breitet sich eine ganz in Wasser und Sand, in Weiß-, Grau- und Beigetönen aufgelöste Landschaft aus. In vielfältigen Farbnuancen und Oberflächenstrukturen schafft Liebermann so einen Bildraum, der eine große Tiefe und Weite suggeriert und den rauhen Charakter der Meereslandschaft erlebbar macht. Klar umrissen und mit leuchtenden Farbakzenten setzt er das Motiv des Muschelfischers mit seinem Pferdekarren zentriert ein.
Während Max Liebermann zu Beginn seiner Holland-Aufenthalte die Darstellung des Meeres bewußt mied, änderte sich seine Haltung unter dem Einfluss des Impressionismus. "Seine Farben wurden heller und waren mehr und mehr auf die Wiedergabe des Sonnenlichts ausgerichtet. Er wird nun, wie sein Biograf Hancke bemerkt, 'durchaus Freilichtmaler, und ein neues Problem, das er bis dahin stets gemieden, weil er es für unlösbar hielt, die Darstellung des Meeres, nimmt ihn gefangen' " (Martin Faass, in: Max Liebermann am Meer, Ausst. Kat. Liebermann-Villa am Wannsee, Berlin/Museum Kunst der Westküste, Alkersum a. Föhr 2011/12, S. 18). 1896 schuf Liebermann erstmals Ölstudien direkt am Strand, die er für das Gemälde "Badende Knaben - Jungen in Zandvoort" (Eberle 1896/2, Neue Pinakothek München) verwendete. Von nun fand das Meer als bildwürdig akzeptierte Thematik Eingang in sein Werk, zahlreiche Gemälde von Badenden, Reitern und Spaziergängern am Strand entstehen in den folgenden Jahren. Darstellungen, die sich nicht den Vergnügungen, sondern der Arbeit am Meer widmen, sind jedoch relativ selten, als ein Beispiel wäre das Gemälde "Muschelfischer - Graue See" von 1908 zu nennen (Eberle 1908/34).