Oberrheinischer Meister um 1460/1470 - Geburt Christi - image-1

Lot 1502 Dα

Oberrheinischer Meister um 1460/1470 - Geburt Christi

Auktion 1118 - Übersicht Köln
17.11.2018, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen Alter Meister / Skulptur
Schätzpreis: 65.000 € - 75.000 €
Ergebnis: 62.000 € (inkl. Aufgeld)

Oberrheinischer Meister um 1460/1470

Geburt Christi

Öl auf Holz. 98 x 100,5 cm.

Kein Engelkonzert, das die Geburt verkündet. Keine Hirten, die ihre Schafherde hüten. Selbst unter Berücksichtigung der allseitigen Beschneidung des ursprünglichen Bildträgers darf man annehmen, dass die für die Darstellung einer Geburt Christi im 15. Jahrhundert mehr oder weniger obligatorischen narrativen Nebenszenen gar nicht vorgesehen waren.
Insbesondere in der anmutigen Gestalt der Gottesmutter, deren goldblondes, gewelltes Haar lang über ihre Schultern herabfällt, aber auch im gesamten hellen, lichtdurchfluteten Kolorit klingt noch der Weiche Stil oberrheinischer Prägung nach. Allerdings wird in der Zurückdrängung des Lyrischen, das die Kunst des am Oberrhein wirkenden Meisters des Paradiesgärtleins in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts so nachhaltig beeinflusste, offensichtlich, dass es sich um ein Werk einer Übergangszeit handelt, denn dem Maler sind die revolutionierenden Neuerungen der ars nova wenigstens mittelbar durch grafische Blätter genauso geläufig.
Darauf verweisen die in festen Umrissen und großer Plastizität modellierten Gewänder, aber auch das Interesse an der Wiedergabe der Lebenswirklichkeit wie z. B. der notdürftig gezimmerten Stallarchitektur sowie Details wie der brennende Holzscheit auf der rechten Seite. Davor liegen - ostentativ - zwei Brote in offensichtlicher in Anspielung auf Christus als dem Brot des Lebens und damit auf den sakramentalen Charakter seiner Menschwerdung. Gleichwohl verliert sich der Maler nirgends im Kleinteiligen, sondern er konzentriert sich ganz auf den geradezu intimen Moment der Verehrung Christi.
Ein stilistisch nah verwandtes Werk dürfte die etwas früher (1450/60) entstandene gleichnamige Szene eines Retabels sein, welches ursprünglich im Dominikanerkloster Adelhausen bei Freiburg aufgerichtet war (heute Augustinermuseum, Freiburg, Inv. Nr. 11503). Die Parallelen sind kompositorisch und koloristisch unübersehbar. Beide Werke sind überaus rare Zeugnisse einer Übergangszeit in der Kunst des Oberrheins, die bald darauf von der alles bestimmenden Kunst Martin Schongauers abgelöst werden sollte. Darin darf denn auch die besondere Bedeutung dieser Darstellung gesehen werden.
Wir danken Frau Dr. Anna Moraht-Fromm für ihre Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Gemäldes.

Zertifikat

Dr. Anna Moraht-Fromm, Berlin, Oktober 2018.