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Lot 229 Dα

Ernst Barlach - Der singende Mann

Auktion 1121 - Übersicht Köln
30.11.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 100.000 € - 120.000 €

Ernst Barlach

Der singende Mann
1928

Bronze Höhe 49,3 cm Rückseitig auf dem Sockelstück unter dem rechten Fuß signiert 'E. Barlach' sowie am Rand mit den eingeschlagenen Gießerstempeln "H. NOACK BERLIN" versehen. Aus einer bei Laur genannten Gesamtauflage von 57 Exemplaren, davon ca. 16 frühe Lebzeitengüsse aus der Edition der Galerie Flechtheim. Vorliegend ein Guß der unnummerierten posthumen Auflage, wohl als archivalisch belegtes Verkaufsexemplar nach Auskunft der Ernst Barlach Nachlassverwaltung, Ratzeburg, in den 1970er Jahren gegossen. - Mit lebendiger dunkelbrauner, stellenweise aufgelichteter, Patina. - Am Hinterkopf mit kleineren weisslichen Kratzspuren in der Oberfläche.

„Soviel habe ich erkannt“, schreibt Barlach an den Germanisten Friedrich Düsel 1891, „daß in der Bildhauerei der antike Geist (ich verlange nicht antike Formen wie bei Thorwaldsen, sondern den einfachen großen Geist und Reinheit und strengste Korrektheit der Formen, besonders des Gewandes, von dem kein moderner Maler, viel weniger Bildhauer eine Ahnung besitzt - Schönheit, Großartigkeit, Fluß der Linien [...]), die Richtung auf das Monumentale die treibenden Mächte sein müssen.“ (Ernst Barlach an Friedrich Düsel am 13. Juni 1891, in: Briefe I, 1888-1924, München 1968, Nr. 45, S. 165). Mehr als 35 Jahre später - inzwischen absolviert Barlach als Meisterschüler bei Robert Diez (1844-1922) erfolgreich sein Studium in Dresden, reist als erstes 1895/1896 nach Paris, verfolgt in gewisser Weise eine Abkehr vom klassizistischen Ideal und huldigt dem allgegenwärtigen französischen Naturalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts - ersinnt Barlach eine seiner verbreitesten Figuren, den „Singenden Mann“. Nicht nur mit ihr erfüllt Barlach seine dereinst formulierte Forderung an sich selbst in reinster Anschauung: eine schlichte Formgebung, einfaches, weitfallendes Gewand, nahezu zu kubischen Formen reduziert aber dennoch im „Fluß der Linen“ mit ornamentalem Schwung.
Eine für den Künstler zur Kennung gewordene Physionomie vermittelt eine besondere Auffassung und rezipiert unabhängig einer ikonographischen Geste, eine anrührende Aussage. Einen sakralen, vielleicht auch liturgischen Hintergrund mag Barlach mit dieser köstlichen, nach hinten geneigten wie entspannten Haltung verfolgen und mit dem aus voller Brust singenden Mann eine Figur zu gießen, mit der er eine „menschliche Situation in ihrer Blöße zwischen Himmel und Erde“ schildert. (Ernst Barlach, Ein selbsterzähltes Leben, Kritische Textausgabe, hrsg. von Ulrich Bubrowski, Leipzig 1997, S. 72)
Nach dem Tod seines Galeristen Paul Cassirer 1926 ermuntert Alfred Flechtheim, der die Betreuung des bildhauerischen Werks von Barlach übernimmt, den bis dahin in Holz „verbissenen“ Bildhauer vermehrt Bronze für seine bildhauerische Umsetzung einzusetzen. Nach dem Güstrower Ehrenmal von 1927 gehört der „Singende Mann“ also zu den ersten Skulpturen, die Barlach mit „Lust und Überzeugung“ in dem für ihn neuen Material denkt.

Werkverzeichnis

Laur 432; Schult I 343

Zertifikat

Wir danken der Galerie Nierendorf, Berlin, wie der Ernst Barlach Lizenzverwaltung, Ratzeburg, für dokumentarische Archivauskünfte.

Provenienz

Ernst Barlach Nachlaßverwaltung Nikolaus Barlach; Galerie Nierendorf Berlin (1978); Rheinische Privatsammlung

Literaturhinweise

U.a.: Bronzen von Ernst Barlach, Galerie Flechtheim, November/ Dezember 1930, Auss. Kat. Berlin/Düsseldorf 1930, Nr. 19; Alfred H. Barr, Omnibus, German Sculpture, Berlin/Düsseldorf 1932, S. 38-42; Marguerite Devigne, Ernst Barlach, in: Les Beaux-Arts, Brüssel 1935, S. 14; Carl Dietrich Carls, Ernst Barlach, Das plastische, graphische und dichterische Werk, 5. Aufl., Flensburg/Hamburg 1950, S. 58; Paul Fechter, Ernst Barlach, Gütersloh 1957, S. 35; Franz Fühmann (Hg.), Ernst Barlach, Das Wirkliche und Wahrhaftige, Wiesbaden 1970, S. 159; Kunstblätter der Galerie Nierendorf, Ernst Barlach. Plastik, Zeichnungen, Graphik, 13.9.-5.12.1978, Berlin, September 1978, Kat. Nr. 41 mit Abb. Nr. 21 (dieses Exemplar); Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach, Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 116 f.; Helga Thieme, Ernst Barlachs Skulptur "Der singende Mann" in der Ausstellung "Neue deutsche Kunst", Oslo 1932, in: Ausst. Kat. Rostock 1998, S. 310 ff.

Ausstellung

Berlin 1978 (Galerie Nierendorf), Ernst Barlach, Plastik, Zeichnungen, Graphik, Kat. Nr. 21 (dieses Exemplar)
Güsse befinden sich nach Laur in folgenden musealen Sammlungen: Neue Nationalgalerie, Berlin; The Cleveland Museum of Art, Cleveland/Ohio, USA; Museum am Ostwall, Dortmund; Ernst Barlach Haus, Hamburg; Sprengel Museum, Hannover; Kunsthalle Kiel; Museum Ludwig, Köln; Kunsthalle Mannheim; Pinakothek der Moderne, München; Lyman Allyn Museum, New London/Connecticut, USA; Museum of Modern Art, New York, USA; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Schloss Gottorf, Schleswig; Staatliches Museum Schwerin; Rathaus Wedel, Privatbesitz (ein nummerierter Guss 4/10); Ernst Barlach Stiftung Güstrow; Hamburger Kunsthalle; Von der Heydt-Museum Wuppertal