Henri Cartier-Bresson - Sur les Bords de la Marne - image-1
Henri Cartier-Bresson - Sur les Bords de la Marne - image-2
Henri Cartier-Bresson - Sur les Bords de la Marne - image-1Henri Cartier-Bresson - Sur les Bords de la Marne - image-2

Lot 10 D

Henri Cartier-Bresson - Sur les Bords de la Marne

Auktion 1142 - Übersicht Köln
29.11.2019, 13:30 - Photographie
Schätzpreis: 8.000 € - 12.000 €

Henri Cartier-Bresson

Sur les Bords de la Marne
1938

Gelatinesilberabzug 1970er Jahre. 24 x 36 cm (30 x 40 cm). Im unteren Bildrand rechts mit Filzstift signiert und persönliche Widmung. - Unter Passepartout montiert.

Der Franzose Henri Cartier-Bresson gehört zu den bekanntesten und bedeutendsten Photographen, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Er gilt als unbestrittener Meister des „moment décisif“, jenes „entscheidenden Augenblicks“ also, in dem sich die Elemente der Wirklichkeit im Objektiv der Kamera für einen denkbar kurzen Moment zu einer zugleich inhaltlich bedeutsamen und ästhetisch prägnanten Komposition fügen. Cartier-Bresson selbst hatte den Begriff im Vorwort zu seinem 1952 erschienenen, epochemachenden Photobuch Images à la Sauvette (1952) geprägt. Auf einer Doppelseite bildete er hier auch die Aufnahme Sur les Bords de la Marne ab, die zu den bekanntesten Aufnahmen aus dem Frühwerk des Photographen zählt und all jene Charakteristika aufweist, für die der Name Cartier-Bresson steht.
Von hinten nähert sich der Photograph den beiden leicht unterhalb von ihm sitzenden Paaren, die es sich an einem warmen Sommertag am Ufer der Marne nahe Paris bei einem Picknick bequem gemacht haben. Die leichte Handhabbarkeit und Unauffälligkeit seiner Leica, von Cartier-Bresson einmal als „Verlängerung seines Auges“ beschrieben, ermöglichen es ihm, vollkommen unbemerkt zu bleiben, „sich dem Sujet mit Wolfsschritten zu nähern […]. Auf Samtpfoten, aber mit scharfem Blick. Kein Wirbel, man schlägt nicht aufs Wasser, bevor man angelt.“ Keine Inszenierung, keine Pose findet sich in diesem Bild des kleinbürgerlichen Sommeridylls, dafür aber eine Vielzahl von aus geringer Distanz mit feinem Sinn für Humor beobachteten und für sich sprechenden Details.
Aus der Aufsicht aufgenommen, teilt das grasbewachsene Ufer des Flusses die querformatige Komposition exakt in der horizontalen Bildmitte. Weitere Elemente wie das schmale, ruhig auf dem Wasser liegende Boot oder die aufgeschlagene Zeitung am rechten Bildrand betonen ihre streng horizontale Ausrichtung, während die als elliptische Formen lesbar werdenden Umrisse der Teller, Gläser und Kopfbedeckungen der Dargestellten Akzente setzen - ein fein austariertes Spiel aus differierenden Formen und Hell-Dunkel-Kontrasten. Die ebenso flüchtige wie zufällige räumliche Konstellation der vorgefundenen Situation überführt Cartier-Bresson mit seinem unvergleichlichen Gespür für formale Bezüge in eine zeitlose Bildlichkeit. Auf diese Weise wurde diese Aufnahme zu einer gleichsam emblematischen Darstellung des Freizeitvergnügens der französischen Arbeiterklasse, die erst aufgrund der Einführung des bezahlten Urlaubs in den Genuss von Privilegien kam, die zuvor der Bourgeoisie vorbehalten waren.

Provenienz

Privatsammlung, Paris

Literaturhinweise

Henri Cartier-Bresson, Images à la Sauvette, Paris 1952; Henri Cartier-Bresson. Photographer, London 1979, Tafel 145; Aperture Foundation (Hg.), Masters of Photography: Henri Cartier-Bresson, New York u.a. 1997, S. 27 mit Abb.; Henri Cartier-Bresson, The Mind’s Eye, New York 1999, S. 52 mit Abb.; Henri Cartier-Bresson, de qui s’agit-il?, Ausst.kat. Bibliothèque Nationale de France, Paris 2003, Tafel 69; Yves Bonnefoy, Henri Cartier-Bresson. Die Photographien, München 2016, S.308f. mit Abb.