Lot 9 Dα

Zart und voll poetischer Anziehungskraft, doch zugleich kraftvoll und selbstbewusst begegnen uns die Zeichnungen von Louise Bourgeois. Eine intensive, schonungslose Selbstbefragung und die Verarbeitung aufwühlender Kindheitserlebnisse sind die Grundlagen ihres künstlerischen Schaffens und ziehen sich als roter Faden durch ihr zeichnerisches und bildhauerisches Werk.
Sie bestimmen auch ihre subjektive Wahrnehmung alltäglicher Objekte und Ereignisse: „In der Vergangenheit ging ich durch einen nächtlichen Garten und betrachtete die Pflanzen, eine an die andere geschmiegt. In klaren Nächten hat mich der Schatten, der von den Pflanzen auf den Boden geworfen wurde, stets angezogen und erschreckt. […] Am folgenden Morgen schien mir der gleiche Ort ungefährlich und jeglichen Geheimnisses beraubt. Dieses lag nicht an der Natur selbst, sondern vielmehr an einer Erfahrung, welche an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit gemacht wurde.“ (Louise Bourgeois, zit. nach: Louise Bourgeois, Der Ort des Gedächtnisses, Skulpturen, Environments und Zeichnungen 1946-1995, Ausst.Kat. Deichtorhallen Hamburg 1996, S.82f.).
Schlanke, hochaufragende Formen, die an vegetabile Motive erinnern, ziehen sich Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahren durch Bourgeois' Zeichnungen und bestimmen das bildhauerische Werk dieser Zeit.