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Lot 2019 Dα

Joos van Winghe - Allegorie der Fama

Auktion 1197 - Übersicht Köln
21.05.2022, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 70.000 € - 90.000 €
Ergebnis: 112.500 € (inkl. Aufgeld)

Joos van Winghe

Allegorie der Fama

Öl auf Leinwand. 82 x 64 cm.
Signiert oben rechts: Jodocus W.

Der Versteigerungserlös dieses Lots sowie die Kommission von Lempertz werden für humanitäre Hilfe in der Ukraine gespendet.

Sie kündet vom Ruhm eines Menschen, verbreitet aber auch böse Gerüchte und üble Nachreden – kaum eine Gestalt der Antike ist so widersprüchlich und gerade deshalb so faszinierend wie die Fama, die in der Aeneis ihren ersten großen Auftritt hat (sie ist es, die das Gerücht über die unziemliche Beziehung zwischen Aeneas und Dido streut). Joos van Winghe zeigt die Fama als geflügeltes weibliches Wesen, mit wehenden Haaren, in leichtem, flatterndem Gewand gekleidet, auf einer Wolke sitzend und über der Erde schwebend. Sie bläst in eine ihrer Trompeten, an denen Banner hängen, die übersät sind mit Augen. Diese Allegorie der Fama, eine ausgesprochen elegante Figura Serpentinata, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es handelt sich um eines von nur vier signierten Gemälden Joos van Winghes (allein zwei befinden sich im Kunsthistorischen Museum, Wien); es ist ein wichtiges Zeugnis der Italienreise des Künstlers; und es ist nördlich der Alpen offensichtlich weithin bekannt gewesen, was sicherlich auch zu tun hat mit dem kongenialen Stich von Johann Sadeler (Abb. 1).
Dass Joos van Winghes Allegorie der Fama bekannt war und geradezu als exemplarische Darstellung galt, zeigt etwa die französische Ausgabe von Cesare Ripas Iconologia (der von Künstlern wohl meistkonsultierten Bildquelle), die 1643 erschienen ist. Unter „Renommée“, dem französischen Begriff für Fama, finden wir Joos van Winghes Fama in stilisierter Form abgebildet (Abb. 2). Dieser Eintrag ist auch deshalb interessant, weil er eine Erläuterung der Darstellung bietet. Die Fama ist demnach geflügelt, leicht bekleidet und schwebt auf einer Wolke, weil sie nie an einem Ort bleibt und sich mit großer Geschwindigkeit fortbewegend überall Gutes und Schlechtes verbreitet. Der Ruhm, aber auch das Gerücht, das weiß bis heute der Volksmund, pflegen sich „in Windeseile“ zu verbreiten. Traditionell ist die Fama allerdings anders dargestellt worden, nämlich als eine Figur, die schnellen Schrittes übers Land läuft, wie Vergil sie in der Aeneis beschreibt. Erst im 16. Jahrhundert taucht in Italien wie in den Niederlanden die schwebende Fama vermehrt auf, wobei es sich bei dieser Gestalt immer um die gute Fama (Fama bona) handelt, die den Ruhm verkündet. Joos van Winghe konnte bei der Gestaltung seiner Fama entsprechend auf Vorbilder aus der niederländischen Grafik zurückgreifen, etwa Hendrick Goltzius´ „Fama und Historia“ oder Philippe Galles allegorische Darstellung.
Im Italien des 16. Jahrhunderts stand die Verbreitung dieser Figur in Verbindung mit dem neuen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Künstler, das sich etwa in Selbstbildnissen, (Auto-)Biographien, Künstlerhäusern oder Akademiegründung zeigte. So stattete Giorgio Vasari in seinem Haus in Arezzo eine „Camera della Fama“ aus mit Fresken der Personifikationen der Künste sowie der Fama, auf einer Weltkugel thronend, im Zentrum (Abb. 3). Vasaris Lebensbeschreibungen der bedeutendsten Künstler, die „Vite“, für die er bis heute vornehmlich bekannt ist, wurden von einem Holzschnitt mit der Fama, über den Künsten schwebend, begleitet. „UBIQUE SEMPER“ sei das Motto der Fama, schrieb Vasari an anderer Stelle, in seinem Zibaldone: „ÜBERALL - IMMER“. Für Vasari verkündete die Fama, überall vernehmbar, den ewigen Ruhm des Künstlers.
Joos van Winghe dürfte dieses neue Selbstbewusstsein der Künstlerschaft in Italien während seines dortigen Aufenthaltes kennengelernt haben. Wie Karel van Mander berichtete, war er in Rom für Alessandro Farnese tätig, Nepote Pauls III., einem der kultiviertesten und mächtigsten Mäzene Roms, der mit Gelehrten und Künstlern (darunter auch Vasari) verkehrte; für Joos van Winghe, der immer – auch in diesem Werk – mit der lateinischen Version seines Namens zu signieren pflegte, sicherlich ein intellektuell wie künstlerisch stimulierendes Umfeld. Als der Künstler nach Brüssel zurückging, um für Alessandro Farnese, Herzog von Parma und Statthalter der südlichen Niederlande (somit ein anderer als der namensgleiche Kardinal) zu arbeiten, dürfte er das neue Künstlerbild in Verbindung mit dem neuen Typus der Fama im künstlerischen Gepäck gehabt haben (zum Italienaufenthalt des Künstlers vgl. Nicole Dacos, Voyage à Rome, Les artistes européens au XVIe siècle, Brüssel 2012, passim).
In der Tat war der Ruhm des Künstlers für Joos van Winghe ein zentrales Thema seiner Kunst; dies zeigen zwei seiner Hauptwerke, die die Geschichte von Apelles und Kampaspe aus Plinius´ Naturalis Historia behandeln, dem Thema par excellence über die herausragende Stellung des Künstlers (beide heute im Kunsthistorischen Museum, Wien). In der ersten Version für Rudolph II. malte er seinen Freund und Kollegen, den kaiserlichen Hofmaler Bartholomäus Spranger als Apelles. In der zweiten, figurenreicheren Version (Abb. 4) stellt er sich selbst als Apelles dar, den bedeutendsten Maler der Antike – mit der schwebenden Fama über sich. So steht diese Allegorie der Fama in enger thematischer Beziehung zu den Werken in Wien, sie ist Ausdruck von Joos van Winghes Selbstbewusstsein als Künstler. Bei einem derart hintergründigen Künstler wie Joos van Winghe dürfte es auch kein bloßer Zufall sein, dass er die Signatur in diesem Gemälde just in die goldene Trompete der Fama eingeschrieben hat, in die sie hineinbläst: Diese Allegorie der Fama kündet auch vom Ruhm ihres Schöpfers, Joos van Winghe.

Abb. 1 / Ill. 1: Johann Sadeler I nach/after Joos van Winghe, Allegorie der Fama / Allegory of Fama © Rijksmuseum, Amsterdam

Abb. 2 / Ill. 2: Renommée, aus / from: Iconologie ou Explication nouvelle de plusieurs images etc. etc., Jean Baudoin, Paris 1643.

Abb. 3 / Ill. 3: Giorgio Vasari: Allegorie der Fama /Allegory of Fama, Arezzo, Casa Vasari, Camera della Fama.

Abb. 4 / Ill. 4: Joos van Winghe, Apelles und Kampaspe / Apelles and Campaspe, Kunsthistorisches Museum, Wien © KHM Museumsverband.

Provenienz

Sammlung des Kunsthistorikers Alfred Schubert, erworben 1927, danch in Familienbesitz. – Auktion Van Ham, Köln, 18.11.2005, Lot 1659 (als Joos van Winghe zugeschrieben). – DELI-collection, Monaco.

Literaturhinweise

Alfred Schubert: Ein verschollenes Gemälde des Jodocus van Winghe entdeckt, in: Weltkunst, XIII (1964), S. 526.