Michiel Coxcie I - Das letzte Abendmahl - image-1

Lot 2016 Dα

Michiel Coxcie I - Das letzte Abendmahl

Auktion 1231 - Übersicht Köln
18.11.2023, 11:00 - Alte Kunst und 19. Jahrhundert, Teil I
Schätzpreis: 120.000 € - 140.000 €
Ergebnis: 201.600 € (inkl. Aufgeld)

Michiel Coxcie I

Das letzte Abendmahl

Öl auf Holz. 165,5 x 222,2 cm.
Signiert und datiert unten links auf dem Stuhl: MICHIEL COXCIE ... FIAT 15(7?).

Seine Zeitgenossen nannten Michiel Coxcie den „flämischen Raffael“, was zeigt, wie hoch sie sein Talent schätzten. Tatsächlich war er einer der einflussreichsten Maler des 16. Jahrhunderts, der zahlreiche prestigeträchtige Aufträge für wichtige Kunden ausführte. Er verbrachte zehn Jahre in Rom, wo er die klassische Antike und die Kunst der großen Meister der Renaissance, Raffael, Michelangelo und Leonardo da Vinci studierte. Nach seiner Rückkehr nach Flandern entwarf er Altarbilder, Buntglasfenster und Wandteppiche für wichtige Kunden in Brüssel, Antwerpen und Mechelen. Der Höhepunkt seiner Karriere war seine Ernennung zum Hofmaler Kaiser Karls V. und König Philipps II. Diese Position, die mit dem Status vergleichber ist, den Peter Paul Rubens hundert Jahre später genoß, brachte Coxcie Auftäge von prominenten Persönlichkeiten und Institutionen. Seine Zeitgenossen ließen sich von seinem italianisierenden Stil und seinen innovativen Kompositionen inspirieren. Coxcies Einfluss hielt auch in den Jahrhunderten nach seinem Tod an. Die erste große Retrospektive erfuhr der Künstler jedoch erst im Jahr 2014 durch eine Ausstellung im M-Museum in Löwen ("Michiel Coxcie, De Vlaamse Rafael").

Coxcie schuf mit seiner Werkstatt großformatige religiöse Tafelbilder für Kirchen und Klöster, die sich oft noch am originalen Bestimmungsort befinden oder inzwischen in Museen verbracht wurden. Deshalb ist es aussergewöhnlich, dass das vorliegende „letzte Abendmahl“ hier vorgestellt werden kann. Es stammt aus der Sammlung Victor Scheppers (Mechelen 1802-1877), Kanonikus und Gründer der Ordensgemeinschaft "Broeders van Onze-Lieve-Vrouw van Barmhertigkeit" in Mechelen und war seitdem im Besitz der Ordensgemeinschaft De Broeders van Scheppers. Der mögliche Aufftraggeber des Gemäldes ist im Hintergrund ganz rechts dargestellt. Das Familienwappen oberhalb der Anrichte ist das der Familie Crabbé. Es könnte sich um Jean Crabbé handeln, der Prior in Dordrecht, Löwen (1579-1589) und Brüssel (1589-1593) war. Frans van Molle vermutet in seiner ausführlichen Publikation des Gemäldes von 1959, dass das Abendmahl für ein Refektorium (Speisesaal) gemalt wurde (F. Van Molle, op. cit.). Dafür spricht auch das Querformat, das darauf hindeutet, dass das Gemälde nicht Teil eines Triptychons war. Die schlecht lesbare Datierung des Gemäldes interpretiert Jan de Maere in seinem Gutachten von 2018 als 15(7?), was ein Entstehungsdatum in den 1570er Jahren annehmen läßt.

Für die Sakramentskapelle der Brüsseler Kathedrale St. Michael und St. Gudula hat Coxcie bereits 1567 ein Triptychon mit der zentralen Darstellung eines Abendmahls (279 x 250 cm) geschaffen, das heute im Museum der Schönen Künste in Brüssel verwahrt wird (Abb. 1). Hier, wie auch in einem weiteren Triptychon, das sich heute noch in der Kathedrale befindet, verwendete Coxcie für die zentrale Tafel mit dem Abendmahl ein Hochformat, das zu seiner Zeit gebräuchliche Format bei Triptychen. Ein stilistischer Vergleich mit weiteren Abendmahlsdarstellungen des Künstlers in Löwen, Antwerpen und Mechelen läßt laut Jan de Maere den Schluß auf die „weitgehende Eigenhändigkeit“ des Werkes zu.

Das letzte Abendmahl präsentiert Coxcie in klassischem Dekor einer prächtigen von Marmorsäulen geschmückte Halle. Ein Fenster im Hintergrund gibt den Blick auf einen von Renaissancegebäuden gesäumten Platz frei. An einer langen, leicht schräg gestellten Tafel umgeben die zwölf Apostel symmetrisch die zentrale Gestalt Christi. Die Farbwahl der Kostüme bestehend aus Rot, Gelb, Grün und Mauve korrespondiert mit Coxcies von der italienischen Renaissancmalerei beeinflussten Stil. Die ruhige, streng komponierte Szene wird durch die Figur des Judas, der unter dem Blick Christi den Tisch verläßt und die gedrehte Rückenfigur des Apostels rechts belebt. Einige Pentimenti belegen, dass Coxcie der Gestalt des Christus in der Folge des Schaffensprozesses mehr Raum gewährte, um Gestik und Ausdruck der Hauptperson und damit ihre Interaktion mit Judas stärker hervorzuheben. Ganz ähnlich präsentiert Coxcie den Christus im früher entstandenen, bereits erwähnten Brüsseler Abendmahl von 1567. Erfrischende und in Coxcies Werk wiederkehrende narrative Elemente sind der jugendliche Mundschenk und das Hündchen, das Judas die Zähne zeigt.
Angesichts des großen Farbunterschieds des vorliegenden Abendmahls mit den beiden früher entstandenen Triptychen aus der Brüsseler Kathedrale schlägt Jan de Maere eine Datierung Ende der siebziger Jahre vor. „In diesem Moment wird Coxcies Farbgebung venezianischer, in Grau-, Lila- und Helltönen, wahrscheinlich unter dem Einfluss von Tintoretto. Auch die breitere Pinselführung entspricht der venezianischen Gewohnheit. Sie erzeugt eine deutlich gröbere Farbstruktur als in früheren Schaffensperioden des Künstlers.“

Das Tafelbild wurde von 1954 bis 1958 im Brüsseler Institut Irpa-Kik gereinigt und restauriert. Das Gemälde würde durch eine erneute fachmännische Restaurierung sehr an Attraktivität und Farbigkeit gewinnen. Die vorbereitende Zeichnung ist mit bloßem Auge gut erkennbar. Technische Untersuchungen (z.B. Infrarotaufnahmen) könnten die Signatur sichtbar machen und einen besseren Vergleich zwischen Coxcies Abendmahlsbildern ermöglichen.

Abb. 1 / Ill. 1:
Michiel Coxcie, Triptychon mit Szenen aus dem Leben Christi, zentrale Tafel: Das letzte Abendmahl / Triptych with scenes from the life of Christ, central panel: The Last Supper / Königliche Museen der schönen Künste von Belgien, Brüssel / Royal Museums of Fine Arts of Belgium, Brussels / Inv.-Nr. 42.
@Musée Royaux des Beaux Arts de Belgique, Bruxelles

Die Kommission von Lempertz für dieses Lot wird einer Schule in Gihosha, Bujumbura (Burundi) gespendet, die von der Bruderschaft De Broeders van Scheppers vor kurzem errichtet wurde.

Zertifikat

Dr. Jan de Maere, Rambrouch, 10. November 2018.

Provenienz

Sammlung Victor Scheppers (Mechelen 1802-1877), Kanonikus und Gründer der Ordensgemeinschaft "Broeders van Onze-Lieve-Vrouw van Barmhertigkeit" in Mechelen. - Seitdem in Besitz der Ordensgemeinschaft De Broeders van Scheppers.

Literaturhinweise

F. Van Molle, in: Bulletin du Patrimoine Artistique, 1959. Une dernière cène inconnue de Michiel Coxcie, S. 60-66, Abb. S. 65. - Alain Jacobs: Les tableaux de Michiel Coxcie à la Cathédrale Saint Rombaut, in: Handelingen van de Koninklijke Kring voor Oudheidkunde, Letteren en Kunst van Mechelen, 26 deel, 2e aflevering 1992: Michiel Coxcie pictor regis (1499-1592), S. 215-246, Abb. S. 243.