Barbara Rosina Lisiewska-de Gasc
Allegorie des Hörsinns
Öl auf Leinwand (doubliert). 96 x 134 cm.
Gerahmt mit vergoldetem Holzrahmen (106,5 x 143 cm).
Signiert unten rechts: peint par Rosine.
Berlin, Anfang 18. Jahrhundert, die Kunst-Szene ist noch überschaubar, entwickelt sich aber rasch und – erstaunlicherweise - auch unter Mitwirkung von Künstlerinnen. Anna-Rosina Lisiewski und ihre acht Jahre jüngere Schwester Anna Dorothea, später verheiratete Therbusch, waren dabei die wichtigsten Protagonistinnen.
1713 als drittes Kind des am Hof tätigen Porträtmalers Georg Lisiewsky zur Welt gekommen, war sie von Anfang an Teil des Berliner Kunstgeschehens. Drei Jahre zuvor hatte hier Antoine Pesne seine Position als Hofmaler eingenommen. Er sollte es während der Regentschaft dreier Könige bleiben und sehr lange Mittelpunkt der Kunstwelt von Berlin und Potsdam sein. Georg Lisiewsky unterrichtete beide Töchter zunächst selbst, da die Kunstakademie Frauen nicht offenstand. Fortführend setzte Antoine Pesne ihre Ausbildung fort. Dieser jungen Kunst-Szene des 18. Jahrhunderts blieb Anna-Rosina besonders verbunden, so sehr, dass sie 1734 sogar einen Ruf nach Dresden ausschlug. Sie wollte die Ateliergemeinschaft mit ihrem Vater noch nicht aufgeben. Stattdessen vernetzte sie die Maler Berlins noch enger miteinander, als sie 1741 den preußischen Hofmaler David Matthieu heiratete.
Am preußischen Hof fand Anna-Rosina Lisiewsky auch die Modelle für ihre Porträtmalerei. Hauptsächlich waren dies Angehörige des hohen Adels, doch auch anderen Künstlerinnen schenkte sie ihre Aufmerksamkeit. In einem Gruppenporträt als "Galante Gesellschaft" lässt sie neben Markgraf Friedrich Heinrich und Markgräfin Leopoldine Marie von Brandenburg-Schwedt sich selbst und die Ballerina Barbara Campanini, auch "Barberina", auftreten (Privatbesitz). Sie ist ein Star des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. 1744 debütierte sie, von Friedrich II. aus ihrem Engagement in Paris und während einer Tournee abgeworben, an der königlichen Oper und wurde zur bestbezahlten Künstlerin Preußens. Die "Fliegende Göttin", wie Barbara Campanini nicht nur in Berlin genannt wurde, saß als Bühnenstar verschiedenen Malern Modell: Rosalba Carriera hat sie wahrscheinlich als erste und noch in Paris gemalt. In Berlin wurde kürzlich ein neues Porträt des preußischen Hofkupferstechers Georg Friedrich Schmidt identifiziert. Er zeigt sie nicht tanzend, sondern mit einem Musikinstrument, einem Tamburin, in der Hand. Vorbild hierzu war das große, aufwändig inszenierte Bildnis, das Antoine Pesne im Auftrag des Königs für Schloss Sanssouci malte. Es stellt die "Barberina" in einem Garten in tänzelnder Haltung dar, begleitet von einem jungen Mann mit Dudelsack im Hintergrund.
Anna-Rosina Lisiewskys leichtfüßiges Wandeln zwischen Porträtmalerei und genreartigen Einblicken in das höfische Leben zeichnet auch die vorliegende Allegorie des Hörsinns aus. Die Dame mit der Laute dürfte dabei ein weiteres Mal die berühmte "Barberina" sein - oder sie ist zumindest von ihr inspiriert. Sowohl die feinen Gesichtszüge, das dunkle Haar und die braunen Augen, vor allem aber das Kleid mit den applizierten Blüten, welches sehr ähnlich auf allen Porträts der Campanini zu sehen ist, legen diese Vermutung nahe. Doch hier spielt sie die Musik. Mit der Theorbe in der Hand, einer erweiterten Form einer barocken Laute, gibt sie den Ton an und wird zur Hauptfigur in Lisiewskys Komposition. Damit hat sie die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes im Hintergrund erregt. Beide blicken den Betrachter direkt an. Die Geste seiner rechten Hand verweist dadurch nicht nur auf das Thema des Hörens, sie ist zugleich auch eine Aufforderung zuzuhören – und vielleicht auch, in die Harmonie mit einzustimmen und aus dem bevorstehenden Duett der beiden ein Terzett zu machen, wurde doch die Theorbe häufig als Begleitinstrument zum Gesang eingesetzt. Überliefert sind Feste, die in "Barberinas" Wohnung nahe des heutigen Pariser Platzes stattfanden. Doch wichtig war der Porträtmalerin sicher auch, die ihr eigenen und im Laufe ihrer Karriere verfeinerten Fähigkeiten zu demonstrieren, die Dargestellten sensibel zu erfassen und ihre charakteristischen Eigenschaften sichtbar zu machen.
Provenienz
Auktion Frederik Muller & Co, Amsterdam 25./28. 2. 1941, Lot 822. - Dr. Sigmund Wassermann, Amsterdam. - C.F. van Veen, Amsterdam (im Auftrag von Dr. Wassermann). - Galerie de Boer, Amsterdam. - Städtisches Museum Nürnberg. - Nach dem 2. Weltkrieg an den Niederländischen Staat übergeben. - Museum Het Markiezenhof, Bergen op Zoom (als Leihgabe des Niederländischen Staates). - 2008 an die Erben von Dr. Sigmund Wassermann rückerstattet. - Sotheby´s, London 5.12.2013. - Deutsche Privatsammlung.