Lot 598 D

"Antoni Tàpies hat Bilder wie Mauern und Wände gebaut. Hier hat er den Daseinsgrund seiner Kunst gefunden. Hier steigt die Vision des Bildes an die Oberfläche, in der die flüchtigen Spuren menschlicher Existenz wie in einer tragischen Hinterlassenschaft aufgehoben sind. In der Bildwelt dieses Werkes spielen geringe Gegenstände die führende Rolle, Dinge, wie sie der Mensch täglich benötigt: Gabeln, Töpfe, Tisch, Schrank, Stuhl, Bettgestell und Tücher. Die von den Fingern der Hand gezogenen Spuren - aufgeladen mit einer heraldisch-mortalen Anspielung - weisen in die Vergangenheit des Landes, auf erloschenes Leben. Auch Abdrücke von Teilen des Körpers, eine Achsel-, eine Fußpartie etwa, sind in der Bilderkruste fixiert. Eingesunken in den Malgrund, erscheint diese rudimentäre Bildwelt wie der Rückstand eines Meteorfalls. In den ausgeglühten Schlacken, diesen humilen Monumenten verblichener humaner Existenz lassen sich Schriftzeichen nachbuchstabieren, ohne daß man sie lesen könnte: Zahlen, Buchstaben, Kreise, Spiralen, Dreieck und Kreuz, schließlich Initialen A und T, die auf Tàpies und seine Frau hinweisen mögen. Wie eine Signatur steht über allem das Tilgungskreuz - als ein endgültiges Aus das Ende protokollierend." (Carl Haenlein, Antoni Tàpies, Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Ausst.Kat. Kestner Gesellschaft, Hannover 1997, S.9/10)