Giorgio de Chirico

Giorgio de Chirico - Vom Ingenieur zum Maler: Studium in Athen und München

Giorgio de Chirico wurde am 10. Juli 1888 in der griechischen Hafenstadt Volos geboren. Seine Eltern waren aus Italien nach Griechenland gekommen, weil der Vater hier eine Anstellung als Ingenieur bei der Eisenbahn gefunden hatte. Während Giorgio de Chirico einerseits dem Vorbild seines Vaters folgte und sich am Polytechnikum in Athen zum Ingenieur ausbilden ließ, studierte er parallel noch Malerei an der Athener Hochschule für bildende Künste bei Georgios Jakobides. Nach dem frühzeitigen Tod des Vaters setzte er sein Kunststudium in München an der Königlichen Akademie der Künste fort. In München hatte er den drei Jahre älteren Expressionisten Jorgos Busianis zum Zimmergenossen und fand einen verwandten Geist in dem deutschen Maler Fritz Gartz. Überhaupt erwies sich der Aufenthalt in München als eine äußerst anregende Zeit für de Chirico, der die symbolträchtigen Gemälde des Schweizers Arnold Böcklin ebenso eifrig studierte wie die verlorenen Traumwelten des deutschen Malers Max Klinger und des österreichischen Grafikers Alfred Kubin.

Wendepunkt in Florenz: Geburt der Pittura Metafisca

Giorgio de Chirico las intensiv die Schriften der großen Denker dieser Epoche, darunter Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer. Ein Schlüsselerlebnis widerfuhr dem Künstler 1909 während eines Besuchs in Florenz: Nach einer Erkrankung saß er auf der Piazza Santa Croce und nahm die an sich vertraute Wirklichkeit plötzlich in einem veränderten Zustand der Entrückung war. Aus diesem Eindruck heraus entwickelte Giorgio de Chirico seine Pittura Metafisca – eine Malweise, die das Tatsächliche nimmt und in einen Traum entrückt. In Paris konnte der Künstler seine Bilder bei den Indépendants und auf dem Salon d'Automne präsentieren; es kam zum Austausch mit den großen französischen Meistern Constantin Brâncuși, André Derain und Pablo Picasso. Mit der Unterstützung seines Bruders Andrea de Chirico, der sich inzwischen den Künstlernamen Alberto Savinio zugelegt hatte, sowie des Futuristen Carlo Carrà gründete Giorgio de Chirico in Ferrara die scuola metafisca, die sich ganz der neuen Kunstrichtung verschrieben hatte.

Vom gefeierten Vorreiter zum kritischen Verächter der Moderne

Giorgio de Chirico schuf surreale Stadtszenen, deren Idealarchitektur durch kein figürliches Leben gestört wurde. Nur gelegentlich tauchen Schatten oder Puppen auf den Bildern des Italieners auf; ein wiederkehrendes Element ist auch die Eisenbahn in Erinnerung an seinen Vater. Ein wichtiger Impuls stellte Friedrich Nietzsche dar, der postulierte, dass es keine absolute Wahrheit gebe, sondern nur eine relative. Erst 1919 wandelte sich der Stil des Künstlers weg vom Traumhaft-Unwirklichen wieder hin zu einem größeren Realismus, der am vorherrschenden akademischen Stil seiner Zeit orientiert war. 1924 beteiligte er sich an der von André Breton herausgegebenen Zeitschrift La Révolution surréaliste. Die Surrealisten erkannten die Verdienste Giorgio de Chiricos für ihre Kunstrichtung und feierten ihn begeistert, doch wandte er sich 1930 endgültig von seiner metaphysischen Malerei ab, kritisierte harsch die moderne Kunst und pflegte eine betont barocke Malweise. Weil sich damit der wirtschaftliche Erfolg nicht einstellen wollte, kopierte de Chirico kurzerhand frühere Werke und verkaufte sie ein zweites Mal – ein Umstand, der die Zuordnung seiner Bilder mitunter auch Kennern erschwert. Für sein Werk erhielt Giorgio de Chirico Preise und Auszeichnungen, darunter 1976 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Insgesamt dreimal waren seine Bilder auf der Documenta in Kassel zu sehen.

Giorgio de Chirico starb am 20. November 1978 in Rom.