Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler - Flucht aus der bürgerlichen Enge, Kontakt zu Künstlern

Elfriede Lohse-Wächtler wurde am 4. Dezember 1899 in Löbtau als Anna Frieda Wächtler geboren. Ihre Eltern, der kaufmännische Angestellte Gustav Adolf Wächtler und seine Frau Maria Zdenka Ostadal, hatten aufgrund konfessioneller Schwierigkeiten erst kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes heiraten können. Die Künstlerin selbst legte sich später den Namen Elfriede zu. Bereits als 16-Jährige verließ sie ihr Elternhaus und den zwölf Jahre jüngeren Bruder Hubert. Zuvor hatte es immer wieder Spannungen gegeben zwischen dem rebellischen Geist des Mädchens und den engen bürgerlichen Konventionen ihres Umfelds; besonders der Vater war strikt dagegen, dass die Tochter einen Weg als Malerin einschlug. Elfriede Lohse-Wächtler bildete eine Wohngemeinschaft mit Londa Freiin von Berg, besuchte die Königliche Kunstgewerbeschule und belegte nebenbei Malkurse. In dieser Zeit kam Lohse-Wächtler mit zahlreichen Künstlern in Kontakt, darunter Otto Dix, Otto Griebel und Conrad Felixmüller, den ihre Freundin Londa schließlich heiratete. Elfriede Lohse-Wächtler genoss diesen Umgang, trug Männerkleidung, nannte sich "Nikolaus", um die Verkaufschancen ihrer Bilder zu erhöhen. 1921 heiratete Lohse-Wächtler den Opernsänger Kurt Lohse, einen Freund von Otto Dix; die Ehe der sehr verschiedenen Charaktere sollte nicht glücklich verlaufen.

Nervenzusammenbruch und kreative Hochphase

Nach einer zwischenzeitlichen Trennung folgte Elfriede Lohse-Wächtler ihrem Mann 1925 schließlich doch nach Hamburg. Künstlerisch erwarb sich Lohse-Wächtler einige Anerkennung durch ihre Teilnahme an mehreren Ausstellungen der Neuen Sachlichkeit. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, mehrere Abtreibungen und die zermürbenden privaten Auseinandersetzungen mit ihrem kranken und untreuen Mann führten bei Elfriede Lohse-Wächtler zu einem Nervenzusammenbruch, der einen Aufenthalt in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg erzwang. Während ihrer Behandlungsphase schuf Elfriede Lohse-Wächtler rund 60 Zeichnungen und Pastelle von ihren Mitpatienten, die sogenannten "Friedrichsberger Köpfe", die zu den beeindruckendsten Werken der Künstlerin gehören. Diese brachten ihr auf Anhieb Ruhm und die Anerkennung von Kennern wie Harry Reuss-Löwenstein, der Lohse-Wächtler euphorisch als "Entdeckung" feierte; ein finanzieller Erfolg blieb jedoch aus, weshalb die noch immer an psychischen Problemen leidende Lohse-Wächtler zu ihren Eltern nach Dresden zurückkehrte. Nach einem weiteren Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt folgten drei sehr kreative Jahre: Zahlreiche weitere Bilder entstanden; großformatige Pastelle, die Großstadtszenen und Motive aus dem Hamburger Hafen zeigen, emotionale Porträts von sozialen Außenseitern, Prostituierten und immer wieder schonungslos realistische Selbstbildnisse, die eine bedrückende Chronik darstellen des zunehmenden Verfalls der leidenden Künstlerin.

Krankheit, Entmündigung und Ermordung

1935 war ganz plötzlich alles zu Ende. Die quälende Ehe mit Kurt Lohse wurde geschieden, Elfriede Lohse-Wächtler selbst aufgrund ihrer fortschreitenden geistigen Zerrüttung entmündigt. Damit war ihre Schaffenskraft gebrochen, an eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zu denken. In den Augen der neuen Machthaber war Lohse-Wächtler deshalb ein Mensch ohne Wert. Die Nationalsozialisten beschränkten sich nicht darauf, ihr Werk mit dem gefürchteten Schandmal "entartet" zu brandmarken, sie legten auch Hand an Leib und Leben der Künstlerin: Am 31. Juli 1940 wurde Elfriede Lohse-Wächtler in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein im Rahmen des Euthanasieprogramms "T4" ermordet. Seit dem Jahr 2000 erinnert dort eine ständige Ausstellung an das Leben und Werk der avantgardistischen Malerin.