Ana Mendieta

Ana Mendieta – In der Fremde reifte sie zur Künstlerin

Ana Mendieta wurde am 18. November 1949 in Havanna, Kuba geboren. Nach der Kubanischen Revolution gelangte sie als 12-Jährige gemeinsam mit ihrer Schwester im Rahmen eines US-amerikanischen Asylprogramms für Jugendliche nach Iowa, wo sie ein Kunststudium begann. Die Beschäftigung mit der konventionellen Malerei stellte Ana Mendieta aber nicht lange zufrieden; sie erkannte schnell, dass sie ihr Streben nach einem adäquaten Ausdruck nur durch interdisziplinäre Grenzüberschreitung verwirklichen konnte. Noch während ihres Studiums präsentierte Mendieta erste Performances, die sie durch eine umfassende fotografische Dokumentation für die Nachwelt erhielt: 1972 thematisierte sie die körperliche Gewalt gegen Frauen, indem sie ihr Gesicht aus verschiedenen Winkeln gegen eine Glasscheibe presste. Dergestalt spielte und brach sie mit den Konventionen des Porträts und illustrierte gleichzeitig die physische Bedrängnis der betroffenen Frauen. Auch Rassismus und Identitätsfragen behandelte Ana Mendieta bereits in ihrem Frühwerk, als sie ihr eigenes Aussehen durch Accessoires wie Perücken und Schminkutensilien veränderte.

Die Infragestellung der menschlichen Identität und Kultur

Ana Mendieta begann 1973 mit ihrer Performance-Serie Silueta, die sie bis 1980 fortsetzte: Sie bedeckte ihren Körper mit organischen Materialien oder legte sich auf den Naturboden, um dort einen Abdruck zu hinterlassen. Hinter diesem Projekt steht auch die Erfahrung der Künstlerin, aufgrund widriger Umstände in frühester Jugend von der Heimat getrennt zu werden. Ana Mendieta markierte einen Bereich mit ihrem Körper, hinterließ eine Spur, eine sichtbare Erinnerung an die bald wieder abwesende Person. Obwohl die Frage nach der menschlichen Identität in Verbindung mit Rassismus und Sexismus ein wiederkehrender zentraler Topos der Arbeit Ana Mendietas darstellte, ging es ihr neben der inhärenten Gesellschaftskritik auch darum, das Recht auf abweichende Normen und den persönlichen Willen zum Anderssein zu betonen. Für ihre Performances, Zeichnungen und Objekte scheute sie auch vor kulturellen Aneignungen nicht zurück, bezog sich auf die indigenen Traditionen der USA und Mexikos und auf die afro-kubanische Kultur ihrer früheren Heimat.

Vorzeitiger Tod unter ungeklärten Umständen

Ana Mendieta wollte ihr Schaffen und sich selbst keiner bestimmten Richtung zugeordnet wissen – Etikettierungen als feministische oder lateinamerikanische Künstlerin lehnte sie ab. Trotzdem wurde und wird sie vor allem als feministische Künstlerin rezipiert und ihr Tod unter rätselhaften Umständen sorgte für massive Proteste seitens feministischer Aktivistinnen: Ana Mendieta starb am 8. September 1985 durch einen Sturz aus ihrem New Yorker Appartement im 34. Stock eines Hochhauses. Ihr Ehemann, der Künstler Carl Andre, stand unter Mordverdacht, wurde aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ana Mendieta wurde in der Folge als Opfer eines von Männern dominierten Kunstbetriebs interpretiert, Gerichtsprozess und Urteil polarisierten die New Yorker Kunstszene stark. Die mit Mendieta befreundete Künstlerin Carolee Scheeman kritisierte den Freispruch Andres als ungerecht. Der Streit um Mendietas Stellung im Kanon hält bis heute an.