Guglielmo (Wilhelm) Plüschow

Wilhelm Plüschow wurde am 18. August 1852 in Wismar geboren. Er war das älteste von sieben Kindern der mecklenburgischen Familie Plüschow; der Vater war ein unehelicher Sohn des Erbprinzen Friedrich Ludwig zu Mecklenburg (1778–1819), der seinem Kind den Namen seines Schlosses Plüschow gab, auf dem er sich während der Sommermonate aufzuhalten pflegte. Im Jahr 1870 übersiedelte Wilhelm Plüschow nach Rom, wo er sich nach Landesart »Guglielmo« nannte. Mit wechselhaftem Erfolg versuchte er sich als Weinhändler, wandte sich aber zunehmend seiner eigentlichen Passion, der Aktfotografie zu, die er später auch in Neapel ausübte. Dabei wurde er unterstützt von seinem zeitweiligen Lieblingsmodell und Assistenten Vincenzo Galdi (1871–1961) sowie seinem Cousin Wilhelm von Gloeden (1856–1931). Weil sich die Bilder der ästhetisch ähnlich denkenden Fotografen stark glichen, kam es bei der Zuordnung zu Verwechslungen. Die Arbeiten fanden in Deutschland, England und Nordamerika großen Anklang und weite Verbreitung.

Wilhelm Plüschow und seine Kollegen wichen von den Gepflogenheiten der damaligen Zeit ab, indem sie ihre Modelle en plein air ›im Freien‹ in Szene setzten und nicht im Studio. Außerdem arbeiteten sie mit Körperschminke, um die unvermeidlichen Unreinheiten auf der Haut der Modelle, die vorwiegend aus der hart arbeitenden italienischen Landburschenschaft stammten, zu kaschieren. Darin brachten die Künstler auch ihre Sehnsucht nach einem neuen Lebensgefühl ungezwungener Freiheit zum Ausdruck, das sie in ihrer deutschen Heimat so nicht ausleben konnten. Wilhelm Plüschow führte auch mehrere Auftragsarbeiten aus und fotografierte unter anderem den Geliebten des französischen Adeligen Jacques d'Adelswärd-Fersen (1880–1923) in dessen Villa Lysis auf Capri. Häufig entstanden die Bilder aber in der weniger mondänen Umgebung von Hinterhöfen, die vom Künstler mit antikisierenden Requisiten wie Vasen und Gips-Statuetten ausgestattet wurden.

Wilhelm Plüschow stand meist im Schatten seines Cousins Wilhelm von Gloeden, so dass über seine Person nur wenige biografische Daten bekannt sind. Als gesichert gilt seine Verwicklung in mehrere Skandale, darunter wohl die aufsehenerregende Affäre um den deutschen Industriellen Friedrich Alfred Krupp (1854–1902), dem auf Capri homosexuelle Exzesse mit jugendlichen Liebhabern vorgeworfen wurden. Wilhelm Plüschow wurde wahrscheinlich infolge dieser Ereignisse im Jahr 1902 zu acht Monaten Gefängnis wegen Kuppelei und Verführung Minderjähriger verurteilt, kam aber bald wieder frei, weil die italienische Justiz die Angelegenheit aus Rücksicht auf die darin verwickelten illustren Persönlichkeiten aus dem Ausland sehr nachlässig behandelte. Unmittelbar nach seiner Entlassung setzte Wilhelm Plüschow seine künstlerische Tätigkeit fort, geriet aber nach einem weiteren Skandal im Jahr 1907 zunehmend unter Druck und musste Italien schließlich 1910 verlassen. Seine letzten Jahre verbrachte er in Berlin.

 

Wilhelm Plüschow starb am 3. Januar 1930 in Berlin. Der deutsche Marineoffizier und Flieger von Tsingtau Gunther Plüschow (1886–1931) war sein Neffe.