Alfred Stieglitz - Ohne materielle Zwänge frei für die Kunst
Für die Kunstgeschichte begann das Jahr 1864 mit der Geburt von Alfred Stieglitz: Am 1. Januar erblickte in Hoboken, New Jersey einer der wichtigsten Brückenbauer zwischen der Alten und Neuen Welt das Licht derselben, die eben noch unter der Erschütterung des zu Ende gehenden Bürgerkrieges litt. Der erstgeborene Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer hatte ein Leben ohne finanzielle Nöte vor Augen und füllte es zunächst mit Reisen durch Europa, auf denen er vielfältige Möglichkeiten fand, sich in seiner früh entdeckten Leidenschaft, der Fotografie, zu üben. Zwar studierte er zunächst in Berlin Maschinenbau, doch galt sein Interesse vor allem dem fototechnischen Unterricht von Hermann Wilhelm Vogel. Eine schnelle Folge dieses höchst fruchtbaren Unterrichts, der letztlich dazu führte, dass Alfred Stieglitz bis heute als der bedeutendste Schüler des Berliner Fotopioniers gilt, war der erste Preis in einem britischen Fotografie-Wettbewerb, zu dessen Jury auch Peter Henry Emerson gehörte. Stieglitz zählte da gerade 24 Jahre und sollte in der Folge noch an die 150 weitere Auszeichnungen erhalten.
Die Ethik des künstlerischen Fotografierens
Alfred Stieglitz orientierte sich mit seinem Frühwerk am Piktorialismus, strebte also von Anfang an danach, als Fotograf den vollwertigen Rang eines Künstlers zu erreichen. Für dieses hehre Ziel gründete Stieglitz 1902 die Photo-Secession, ein Zusammenschluss von künstlerisch ambitionierten Fotografen, und eröffnete seine eigene Galerie. Außerdem erlaubten ihm die finanziellen Mittel seiner Familie, das viermal im Jahr erscheinende Magazin Camera Work herauszugeben. Alfred Stieglitz lehnte jede Form von Retusche und Nachbearbeitung ab; um auf seinen Bildern den gewünschten Effekt zu erzielen, harrte er oft auch unter widrigsten Bedingungen stundenlang aus. Er fotografierte bei Wind und Wetter, in strömendem Regen und starrender Kälte. Nicht die Ausrüstung und die Technik des Fotografen seien entscheidend, sondern das untrügliche Gespür für den richtigen Augenblick. Um diesen zu erfassen, seien Geduld und Ausdauer nötig. So entstanden weltbekannte Fotografien wie The Terminal, Winter on Fifth Avenue und Flatiron Building.
Ein unermüdlicher Förderer der Kunst
Alfred Stieglitz gründete gemeinsam mit Edward Steichen die Galerie 291, in der sich Künstler wie Paul Cézanne, Henri Matisse, Auguste Rodin, Georges Braque und Marsden Hartley trafen. Die für Stieglitz fraglos bedeutendste Begegnung war jedoch die mit Georgia O'Keeffe, die ihm nicht nur unzählige Male Modell stand, sondern auch seine Geliebte wurde, für die er sich von seiner ersten Frau Emmeline Obermeyer nach 24 Jahren Ehe scheiden ließ. Weil die mit dem Ersten Weltkrieg einhergehenden finanziellen Schwierigkeiten die Schließung der Galerie 291 erzwangen, eröffnete Stieglitz in den 1920er-Jahren die Intimate Gallery und später An American Place, wo seinem eigenen Werk und dem Werk anderer eine Plattform geboten wurde. Zu den zahlreichen Künstlern, die Alfred Stieglitz fortwährend um sich scharte und mit denen er einen unaufhörlichen Austausch suchte, gehörten auch zahlreiche bedeutende Literaten wie William Carlos Williams. Nie zuvor und nie danach haben sich bildende und schreibende Künste derart nahegestanden wie unter dem Brückenbauer und Weltenverbinder Stieglitz.
Alfred Stieglitz starb am 13. Juli 1946 in New York. Sein jüngerer Bruder Julius Stieglitz machte sich als Chemiker einen Namen.
Alfred Stieglitz - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: