Ben Vautier sieht überall Kunst. Der Schweizer Pionier der Fluxus-Bewegung findet immer Möglichkeiten der Interaktion, stellt Fragen nach den grundlegenden Themen Freiheit, Schönheit, Wahrheit und Lüge, verwischt die Grenze zwischen geschaffener Kunst und erfahrenem Leben.
(...) WeiterlesenBen Vautier - Große Kunst für die Straße
Ben Vautier wurde am 18. Juli 1935 in Neapel geboren. Die Familie des Künstlers, der mit bürgerlichem Namen Benjamin Vautier heißt, wie sein berühmter Urgroßvater, der Schweizer Maler der Düsseldorfer Schule, zog in seinen frühen Jahren zwischen verschiedenen Ländern umher und ließ sich 1949 in Nizza nieder. Dort entwickelte er in Anlehnung an den Dadaismus und im Gefolge von Vorbildern wie Marcel Duchamp, Yves Klein und den in Nizza ansässigen Nouveaux Réalistes seinen eigenen künstlerischen Stil. Die berühmten Text-Bilder, die zu Vautiers Markenzeichen wurden, prägten bereits die Gestaltung der Fassade seines Plattenladens, den er von 1958 bis 1973 in Nizza betrieb. Das Geschäft mit Namen »Magasin« zog mit seinem unverwechselbaren Äußeren schon früh Aufmerksamkeit auf sich: Ben Vautier überzog sie im Lauf der Jahre mit einer Vielzahl von Objekten und versah diese mit Kommentaren in Schreibschrift und grellen Farben. Auf ähnliche Weise verfuhr er auch mit dem Interieur. 1994, lange nach der Schließung von »Magasin«, wurde die Fassade im Centre Georges Pompidou ausgestellt: Die Kunst, die Ben Vautier auf die Straße gebracht hatte, kehrte damit – wenigstens zeitweise – ins Museum zurück.
Nichts ist Kunst – oder doch alles?
Ben Vautier, der sich als Künstler meist einfach Ben nannte, gehörte zu den ersten Künstlern in Europa, die den etablierten Kunstbegriff deutlich erweiterten und die Tore der Galerien und Museen weit zur Straße hin aufstießen. 1959 gründete er seine eigene Zeitschrift Ben Dieu, 1960 hielt er seine erste Einzelausstellung ab – ganz pragmatisch im ersten Stock seines Ladengeschäfts, im sogenannten Laboratoire 32, unter dem Titel: »Rien e tout« (Nichts und alles). Die Frage nach dem Nichts, nach seinem Wesen und Wert, beschäftigte Ben Vautier in ständiger Spannung zu seinem Credo, dass alles auf irgendeine Weise letztlich Kunst sei. Aufsehen erregte er mit seinen »Actions de rue«, bei denen es sich um ganz alltägliche Tätigkeiten handeln konnte, wie das Warten an einer Bushaltestelle. Dazu gesellten sich aber auch spektakuläre Aktionen wie das Schwimmen im Hafen von Nizza in voller Bekleidung. Mit diesem Kunstverständnis wurde er ganz selbstverständlich zu einem der führenden Vertreter der Fluxus-Bewegung, neben den amerikanischen Künstlern John Cage und Al Hansen, und machte Nizza zu einem Zentrum dieser von George Maciunas begründeten Kunstrichtung.
Mit der Kunst den Diskurs führen
Ben Vautier versteht seine Aktionen und Bilder als großen, zusammenhängenden Kommentar der Welt. Insbesondere mit seinen Performances – die er selbst »Gestes« nennt – will er einen neuen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen oder einen bestehenden in eine bestimmte Richtung lenken. Zu Beginn der 1960er Jahre signierte er im Rahmen einer Kunstaktion alles, was er zu fassen bekam, einschließlich seines eigenen Körpers und der Werke anderer Künstler – im Sinne der von Marcel Duchamp und seinen Ready-mades postulierten Erkenntnis, dass ein Kunstwerk ausschließlich von seiner Signatur bestimmt würde. Zwei Jahre später vollzog Ben Vautier eine radikale Kehrtwendung und hielt schriftlich fest, in Zukunft nichts mehr signieren zu wollen, anerkannte auch damit wieder die Spannung zwischen nichts und allem. 1992 lieferte er das Motto für den offiziellen Schweizer Pavillon bei der Weltausstellung in Sevilla: la Suisse n'existe pas (»die Schweiz existiert nicht«), getreu seiner Überzeugung, dass eben alles Kunst sei – auch und vielleicht gerade das Nichts. 1981 unterstützte Ben Vautier die junge Bewegung Figuration Libre, der er in einem Artikel für die Zeitschrift Flash Art auch den Namen gab.
Ben Vautier - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: