Eberhard Havekost - Back to the flag - image-1

Lot 679 R

Eberhard Havekost - Back to the flag

Auktion 1022 - Übersicht Köln
27.11.2013, 00:00 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 43.920 € (inkl. Aufgeld)

Eberhard Havekost

Back to the flag
2007

Öl auf Leinwand. 107 x 154 cm. Havekost 07 BACK TO THE FLAG

Öl auf Leinwand 107 x 154 cm, gerahmt. Rückseitig auf der Leinwand signiert, datiert und betitelt 'Havekost 07 BACK TO THE FLAG' sowie mit der Ortsangabe 'B'[erlin] und einer Beschriftung versehen.

Provenienz: Privatsammlung, Deutschland

Ausstellung: Dresden 2007 (Galerie Gebr. Lehmann), The evil, Presse + Politik, Ausst.Kat.S.70 mit Farbabb. (Detail)

Im Zentrum des künstlerischen Interesses Havekosts steht die Beschäftigung mit verschiedenen Aspekten des Alltags sowie die Erfahrung und Inszenierung von Realität im heutigen Medienzeitalter. Als Grundlage für seine Gemälde wie auch für seine Druckgraphiken (vgl. Lot 680-686) dienen ihm im Allgemeinen selbst aufgenommene Fotos und Bilder aus Werbung, Film und Fernsehen. In dieser Hinsicht scheint sich das Gemälde „Back to the flag“ aus dem Jahr 2007 von seinem übrigen Oeuvre zunächst deutlich abzuheben: Dargestellt wird die amerikanische Flagge und zwar als absoluter, die Leinwand komplett ausfüllender Bildgegenstand. Der Betrachter erhält somit keinen Anhaltspunkt über die Intention des Künstlers, der sich zwar eines hochsymbolischen Motivs bedient, das beim Betrachter eine ganze Reihe von Assoziationen auslöst, jedoch an Hand der Bildgestaltung keinen Hinweis darauf gibt, ob es sich um einen politischen Kommentar, eine Reaktion auf die Zeitgeschichte o.Ä. handelt. Das Sujet der amerikanischen Flagge beschäftigte Havekost nicht zum ersten Mal, zuvor war sie aber stets Teil eines Bildgeschehens: Bereits 1998 wehte in dem Gemälde „Kontakt“ das Staatssymbol vor der Silhouette eines Wolkenkratzers im Wind und im Jahr 2003 taucht die Flagge dann in „National Geographic“ in den Armen eines Bergsteigers wieder auf. Bezeichnend ist demzufolge die Radikalität, mit der sich Havekost dem Bildgegenstand in „Back to the flag“ annimmt. Aufschluss über den Beweggrund des Künstlers gibt schließlich der Titel „Back to the flag“ - „Zurück zur Flagge“. Mit dieser ‚Ur-Flagge' ist Jasper Johns berühmtes Gemälde „Flag“ (1954/55) gemeint und Havekost rekurriert demnach bewusst auf ein Schlüsselbild der Kunstgeschichte, das Anlass zu grundlegenden theoretischen Überlegungen zum Wesen der zeitgenössischen Malerei gegeben hat (vgl. Max Imdahl, Is it a flag or is it a painting? Über mögliche Konsequenzen der konkreten Kunst, in: Max Imdahl, Bildautonomie und Wirklichkeit, Zur theoretischen Begründung der Malerei, Mittenwald 1981, S.69-96). Zugleich drängt sich der Bezug zu der amerikanischen Künstlerin Elaine Sturtevant auf, die Gemälde anderer Künstler eins zu eins nacharbeitet und mit ihrer eigenen Unterschrift versieht - bezeichnenderweise begann sie ihr Oeuvre 1965 mit der Reproduktion ebenjener Flagge von Jasper Johns. Wo Jasper Johns allerdings die Frage provozierte, ob es sich bei ‚Flag' um ein Gemälde oder lediglich um die Abbildung einer Flagge handelt, zielt Sturtevant auf die Infragestellung des Originalitätsbegriffs: Wann ist ein Original ein Original und wann wird es zur Kopie? Eberhard Havekost schließlich erarbeitet sich mit ‚Back to the flag' zu beiden Fragestellungen seinen eigenen Zugang. Der Unterschied zu Elaine Sturtevant zeigt sich in Havekosts Entscheidung, die Flagge von Johns nicht in technischer Hinsicht zu duplizieren, wie es Sturtevant getan hatte: Havekost wählt reine Ölfarbe, statt Enkaustik über collagiertem Papier, um das Bild auf die Leinwand zu übertragen. Es handelt sich demnach vor allem um einen ideellen Rückgriff auf Jasper Johns und zugleich erweitert Havekost den Bildgegenstand um eine Bedeutungsebene: Für ihn zählt vor allem das Bild - und zwar gar nicht so sehr das tatsächlich Gemalte, sondern vor allem das Bild im Kopf des Betrachters, das sich aus tausenden Assoziationen zusammen setzt, die von der amerikanischen Flagge als Teil der Populärkultur geweckt werden: Dazu gehört die Flagge etwa als Symbol für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten genau so wie die künstlerischen Auseinandersetzungen Johns' und Sturtevants. Havekost definierte die Beweggründe für seine Malerei in einem seiner wenigen Interviews einmal folgendermaßen: „Ich möchte die Logik auf Expeditionen schicken und unsere Vorstellung vom Bild auch. Meine Malerei soll unsere Filter dechiffrieren. Es geht darum, endlich wieder eine Distanz zu den uns überflutenden Reizen zu ermöglichen, um Gedanken und Bilder wieder voneinander zu lösen und unterscheidbar zu machen. Theoretisch gesehen versuche ich, mit einem einzigen Gemälde die verschiedenen Wahrnehmungsstufen gleichzeitig abzubilden. Ich will die verschiedenen Formen von Bearbeitungsmöglichkeiten zeigen, die man für optische Eindrücke hat, um zu zeigen, wie man bewusste Ebenen ausblendet, um bewusst der Überflutung mit Bildern zu begegnen.“ (Eberhard Havekost, Ich male, was ich nicht sehe, Gespräch mit Florian Illies, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr.12, 23. März 2003, S.23).
Die radikale Ausführung des Bildsujets und der Rückgriff auf ein Schlüsselwerk eines anderen Künstlers mögen zunächst ungewöhnlich anmuten, sie führen aber überzeugend vor Augen, wie konsequent Havekost seinen grundlegenden Werkgedanken in ‚Back to the flag' verarbeitet.

Provenienz

Privatsammlung, Deutschland

Ausstellung

Dresden 2007 (Galerie Gebr. Lehmann), The evil, Presse + Politik, Ausst.Kat.S.70 mit Farbabb. (Detail)