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Lot 1028 Dα

Gerrit van Honthorst - Der standhafte Philosoph

Auktion 1029 - Übersicht Köln
17.05.2014, 11:00 - Sammlung Hofstätter
Schätzpreis: 800.000 € - 1.200.000 €
Ergebnis: 826.000 € (inkl. Aufgeld)

Gerrit van Honthorst

Der standhafte Philosoph

Öl auf Leinwand (doubliert). 107 x 102 cm.

Ein Mann sitzt an einem Arbeitstisch, man sieht ihn bei der Schreibarbeit, er hält in der Rechten eine Feder, neben sich hat er zahlreiche Bücher aufgetürmt. Vor ihm auf dem Tisch, auf einem Teppich, liegt ein aufgeschlagenes Buch, in das er offensichtlich schreibt. Er hat seine linke Hand erhoben und wendet seinen Kopf zur Seite.
Der Titel dieses Gemäldes von Gerrit van Honthorst „Der standhafte Philosoph“ erschließt sich nicht unmittelbar. Er wird verständlich, wenn man weiß, dass es sich um die eigenhändige Wiederholung der linken Hälfte des Gemäldes mit dem Titel “Der Standhafte Philosoph” in der HOHENBUCHAU COLLECTION handelt (vgl. J. Richard Judson: Gerrit van Honthorst, with catalogue raisonné, Doornspijk 1999, WVZ-Nr.157, S. 137/38, Abb. IX und 73.). Die zweifigurige Komposition dieses Werks zeigt in der rechten Bildhälfte eine halbnackte junge Frau. Die verführerisch lächelnde Frau hat sich fast gänzlich entkleidet und nähert sich dem Mann mit offensichtlich unsittlichen Absichten; allein, die weiblichen Reize verfehlen ihr Ziel, der Mann lässt sich nicht von seiner Geistesarbeit abhalten und wendet sich ab. Die kunsthistorische Forschung hat lange über die Ikonographie dieses Bildes gerätselt. Die populäre biblische Geschichte von Josef und Potiphars Weib wurde genannt (und verworfen, da der Mann zu alt wäre für den bedrängten Josef), auch Xenokrates und Phryne wurden vorgeschlagen (was passender wäre), am Schluss hat man sich auf den neutralen Titel „Der standhafte Philosoph“ geeinigt. Judson hat im Werkverzeichnis diesen Titel auch für das vorliegende einfigurige Bild übernommen (Judson/Ekkart, op. cit., S. 138).
Unsere Darstellung des Philosophen verdeutlicht die malerischen Qualitäten Gerrit van Honthorsts, derentwegen er von den Zeitgenossen gerühmt wurde - es sind jene Qualitäten, die er während seines Aufenthaltes in Rom zwischen 1612 und 1620 in der Auseinandersetzung mit der Kunst Caravaggios und des Caravaggismus kennenlernte und sich aneignete: Die dynamische und monumentale Figurenkonzeption sowie die Schaffung von lebensnaher Körperlichkeit durch Licht und Schatten. So erzeugt der Künstler allein durch den umgeschlagenen roten Teppich im Bildvordergrund eine immense Bildtiefe, der ockerfarbene feste Umhang mit dem großzügigen Faltenwurf verleiht dem Philosophen eine kraftvolle Körperlichkeit, die sich auch in Details wie der durch Chiaroscuro moedellierten erhobenen Hand durch das Chiaroscuro zeigt.
Gerrit van Honthorst hat im vorliegenden Gemälde jedoch nicht einfach die linke Hälfte des Hohenbuchau-Gemäldes mit der Darstellung des Philosophen wiederholt und die weibliche Figur fotgelassen. Er hat vielmehr den Bildausschnitt verengt, so dass die Figur des Philosophen näher an den Betrachter rückt, was vor allem am Teppich deutlich wird, der durch die untere Bildkante abgeschnitten wird und nunmehr als Repoussoir fungiert. Durch diese Verdichtung und Fokussierung auf die Figur erzeugt der Künstler die kraftvolle, lebensnahe Wirkung dieser bewegten Einzelfigur. Van Honthorst folgt hier einer Bildstrategie, die wir von seinen Musikantenbildern kennen, die er in den frühen 1620er Jahren nach seiner Rückkehr aus Rom entwickelt hat. Auch die Darstellung einzelner Musikanten entwickelten sich aus der Herauslösung einer einzelnen Figur aus einer mehrfigurigen Komposition mit der Darstellung musizierender Gesellschaften, die ihren Ursprung in der italienischen Malerei des Caravaggismus hatte (allerding mit nordalpinen Vorläufern). Als Beispiel eines solchen Musikantenbildes lässt sich der „Fröhliche Geiger mit Weinglas“ heranziehen (vgl. Abb. 2; Öl auf Leinwand, 108 x 89 cm, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-180), der nahezu die identischen Maße aufweist wie unser „Standhafter Philosoph“. Bei allen Unterschieden - Gerit van Honthorst verfährt beim „Standhaften Philosophen“ im Grunde analog zu solchen Musikantenbildern wie dem „Fröhlichen Geiger“: Er nimmt eine Figur aus einem größeren kompositorischen und narrativen Zusammenhang und macht sie zum Protagonisten einer lebensnahen Darstellung, die durch ihre Unmittelbarkeit beeindruckt.
In seinem Schilderboek von 1603 berichtet der Kunsttheoretiker Karel van Mander von Michelangelo Merisi da Caravaggio, dem Star unter den Malern in Rom, und empfiehlt den jungen Künstlern, ihm nachzueifern - zumindest in der Kunst, wenn auch nicht in dessen liederlichem Lebenswandel. Tatsächlich macht sich eine ganze Generation von jungen talentierten Künstlern aus Utrecht, allesamt in den 1580er/90er Jahre geboren, nach Italien auf, um im Rom des Barock die neue Kunst zu studieren: Hendrik Terbrugghen, Dirck van Baburen, Jan van Bylert und eben Gerrit van Honthorst. Caravaggio stirbt bereits im Jahr 1610, die niederländischen Künstler können seine Werke jedoch in den Kirchen und Sammlungen der Stadt studieren. Künstler aus Italien und ganz Europa, unter ihnen Orazio Gentileschi, Barolomeo Manfredi, Valentin de Boulogne und Jusepe Ribera, setzen zudem den Stil Caravaggios fort. Gerrit van Honthorst lebt im Haushalt des Kardinals Giustininani, der eine herausragende Kunstsammlung besitzt, und dessen Palast gegenüber der Kirche San Luigi dei Francesi liegt - jene Kirche, in der sich einige der bedeutendsten Werke Caravaggios befinden. Gerrit van Honthorst studiert die Werke Caravaggios, aber auch anderer italienischer Maler wie Annibale Carracci und dessen Schülern und ist bereits in Rom ein gefragter Künstler vor allem für religiöse Bilder. Als er 1620 im Triumph nach Utrecht zurückkehrt, bringt er einen neuen Stil und neue Themen aus Italien mit. Kurz nach dieser Rückkehr entsteht auch das Bild des „Standhaften Philosophen“.

Provenienz

Auktion Sammlung Koser, Keller & Reiner, Berlin, 6./7.3.108, Lot 89. - Sammlung Binder, Berlin. - Sammlung Elstor, Hannover. - Kunsthandel Alberto Antonino, Torre Canavese.

Literaturhinweise

A. von Schneider: Caravaggio und die Niederländer. Marburg 1933, S. 134. - J. Richard Judson: Gerrit van Honthorst. A Discussion of his Position in Dutch Art. Den Haag 1959, S. 194. - H. Braun: Gerard und Willem van Honthorst. Diss. Göttingen. Göttingen 1966, S. 179. - Benedict Nicolson: The International Caravaggesque Movement. Oxford/New York 1979, S. 58. - Benedict Nicolson: Caravaggism in Europe. Turin 1989, Bd. 1, S. 122. - J. Richard Judson u. Rudolf E.O. Ekkart: Gerrit van Honthorst 1592 - 1656. Doornspijk 1999, S. 138, Abb. 74.