Ernst Wilhelm Nay - Königin auf Thron - image-1

Lot 513 D

Ernst Wilhelm Nay - Königin auf Thron

Auktion 1042 - Übersicht Köln
29.11.2014, 12:00 - Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 120.000 € - 150.000 €
Ergebnis: 372.000 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Wilhelm Nay

Königin auf Thron
1944

Öl auf Leinwand. 81 x 100 cm. Gerahmt. Signiert und datiert 'E.W. Nay 44'. - Stellenweise mit leichtem Craquelé.

Von 1940 bis 1944 ist Ernst Wilhelm Nay als Soldat zuerst in Südfrankreich, ab 1942 im nordfranzösischen Le Mans stationiert. In Deutschland als „entartet“ diffamiert, gelingt es ihm dennoch, neben seinem Militärdienst weiter zu malen. Insbesondere in kleinformatigen Zeichnungen und Aquarelle entwickelt er Kompositionen, die er in Gouachen und wenigen, eher kleinformatigen Ölbildern weiter ausführt. Durch die Freundschaft mit dem Juristen und Kunstsammler Hans Lühdorf und dem Amateurbildhauer Pierre de Térouanne kann Nay in Le Mans ein Atelier beziehen und erfährt vielfältige praktische Unterstützung auch über deren guten persönliche Verbindungen. Hans Lühdorfs umfangreiche Aufzeichnungen über seine gemeinsamen Kriegsjahre mit dem Künstler stellen ein lebendiges Zeitdokument dar, in dem auch unsere „Königin auf dem Thron“ (Lot 513)Erwähnung findet: „Die rote Farbe als Symbol des Blutes verwendete Nay oft dominierend für bestimmte Körperteile seiner Figurenbilder („Königin auf dem Thron“) zur Sichtbarmachung der mystischen Bindungen. Nay sprach hier von der „Topographie seiner Farbe“.“ (zit. nach: E.W. Nay 1902-1968. Bilder und Dokumente, Ausst. Kat. München u.a. 1980, S. 86). In verschiedenen kunstaffinen französischen und deutschen Besuchern findet Nay begeisterte Interessenten seiner Arbeiten. Zu seinen berühmtesten Anhängern zählt der Schriftsteller Ernst Jünger, der gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Fritz Baumgart 1943 zu Gast in Le Mans ist. In seinem Kriegstagebuch „Strahlungen“ beschreibt Jünger die Begegnung mit Nay und den Eindrücken, die er von seinem Kunstschaffen gewinnt. Nach seinen Lofoten-Bildern aus den Jahren 1937/38, deren flächige, abstrahierte Menschen- und Landschaftsdarstellungen von einer dynamischen, kristallin anmutenden Formensprache bestimmt werden, findet Nay in dieser Zeit in Frankreich zu einem beruhigteren, kleinteiligeren Stil. Er konzentriert sich auf Figurendarstellungen, die mit ihrer Umgebung zu einem ornamentalen Gefüge verschmelzen. „Die meisten Werke zeigen thematisch legendäre Szenen, in denen abstrahierte Figuren in ein überpersönliches, tragisches oder euphorisches Geschehen eingebunden erscheinen. […] Das mit weißen Strichen und Punktreihen angedeutete Rückgrat der beiden Figuren in „Königin auf dem Thron“ macht die Skelettform der Körper sichtbar. Als Gegensatz zu diesem Memento mori empfindet man die harmonisch-warme Farbgebung dieser Bilder, in denen Nay erstmals das Gelb als dominante Farbe wählt und in der Kombination mit hellem Rot einen leuchtenden, lebensvollen Farbklang erreicht. Das Brennende dieser Feuerfarben mildert Nay häufig durch eine Skala von Braun- und Grüntönen. Um die sonst perspektivisch erscheinenden Zwischenräume seiner Bildkompositionen flächig zu überbrücken, erfindet Nay ein Motiv abwechselnd sich wiederholender Schachbrettmuster.“ (Elisabeth Nay-Scheibler, in: Ernst Wilhelm Nay, Werkverzeichnis der Ölgemälde, Köln 1990, Bd. 1, S.198). Das neun Jahre später entstandene doppelseitige Gemälde „In Blockformen“ (Lot 514) offenbart bereits eine vollzogene Abkehr von jeglichen gegenständlichen Formen. Diese Entwicklung zur reinen Abstraktion geht einher mit dem Umzug Ernst Wilhelm Nays vom ländlichen Taunus nach Köln im Jahr 1951. Elisabeth Nay-Scheibler charakterisiert die 1952/53 in der lebhaften Großstadtatmosphäre geschaffenen Arbeiten als „Rhythmische Bilder“, die geprägt sind durch die Affinität des Künstlers zur neuen Musik. Nay besuchte des Öfteren Konzerte von Komponisten wie Arnold Schönberg, Béla Bartok und Paul Hindemith sowie den Avantgardisten wie Pierre Boulez und Luigi Nono und tauschte sich mit diesen über musikalische und malerische Parallelen aus. Die abstrakten Kompositionen dieser Zeit zeigen zumeist einen leicht und dynamisch wirkenden Reigen locker gesetzter, offener Farbformen und Linienstrukturen. Diese Merkmale finden sich so auch auf der Rückseite von „In Blockformen“ - eine Komposition, die der Künstler laut Information von Aurel Scheibler übermalt hatte und die erst posthum nach 1990 wieder freigelegt wurde. Sie wird dominiert von großflächigen Farbformen in Braun- und Orangetönen, die durch zackenförmige schwarze Linien und kontrastierende blaue und blaugraue Farbformen belebt werden und sich so zu einer kraftvoll-dynamischen Gesamtkomposition verbinden. Die vorderseitige Komposition weist dagegen einen beruhigten, von weich gerundeten Formen geprägten Charakter auf. Durch das vollständige Fehlen der Linienstrukturen ist hier bereits ein Ausblick auf die Scheibenbilder gegeben, die Nay ab 1955 erarbeitet. Weiße, hellblaue und dunkelblaue Ellipsen schweben zusammen mit abgerundeten kleinen Rechteckformen vor einem harmonischen Zusammenklang verschiedenster Farbkompartimente in Schwarz, Dunkelrot, Dunkelblau und Ocker. Die verbleibenden weißen Partien erscheinen nicht als eigenständige Formen, sondern als stellenweise hell hervorleuchtende Hintergrundfläche, die den Eindruck von schwebender Leichtigkeit unterstreicht. Nay selber schreibt zu dieser Werkphase: „1952, nach der strengen Einengung, gab es eine starke Auflösung der Bildformen. Doch ist für meine Kunst eine formale Objektivität immer eine direkte Forderung, immer mehr kam Rhythmus zum Austrag - Rhythmus der Fläche. Das Thema des Flächenraums, das eigentlich immer konstant gleich geblieben war, wurde im Sinne ellipsoider Scheinvorgänge gedacht. Hier ganze und eindeutige Klarheit für das Bild zu schaffen hat mich jahrelang beschäftigt, und die Wandlungen habe ich besonders aufmerksam nach diesem Gesichtspunkt hin beobachtet.“ (zit. nach: Retrospektive E.W. Nay, Ausst.Kat. Köln/Basel/Edinburgh 1991, S.34).

Werkverzeichnis

Scheibler 328

Provenienz

Galerie Michael Hertz, Bremen; Sammlung Hanns Hülsberg, Hagen; Galerie Wilhelm Grosshennig, Düsseldorf; Privatsammlung, Westfalen

Literaturhinweise

Hans Lühdorf, Meine Begegnung mit E.W. Nay im Krieg, in: E.W. Nay, 1902-1968, Bilder und Dokumente, München 1980, S.86
Werner Haftmann, E.W.Nay, Köln 1960, S.101, S.89 mit Farbabb.

Ausstellung

Edinburgh 1991 (Scottish National Gallery of Modern Art), E.W. Nay, Ausst.Kat.Nr.30 (mit rückseitigem Aufkleber)
Köln 1990/1991 (Josef-Haubrich-Kunsthalle), E.W. Nay, Retrospektive, Ausst.Kat.Nr.30, S.102 mit Abb. (mit rückseitigem Aufkleber)
Stuttgart 1986 (Staatsgalerie), London 1985 (Royal Academy of Arts), German Art in the 20th Century, Painting and Sculpture 1905-1985, Ausst.Kat.Nr.208 mit Farbabb. (mit rückseitigem Aufkleber)
Krefeld 1985 (Museum Haus Lange), Münster (Westfälischer Kunstverein), Hamburg (Kunstverein), Ausst.Kat.S.46
Nürnberg 1980 (Germanisches Nationalmuseum), München (Haus der Kunst), Leverkusen (Bayer AG), Ludwigshafen a.Rh. (Wilhelm-Hack-Museum), Kassel 1981 (Neue Galerie), E.W. Nay, 1902-1968, Bilder und Dokumente, Ausst.Kat.Nr.18, S.85 mit Abb.Nr.42
Düsseldorf 1970/1971 (Galerie Wilhelm Grosshennig), Deutsche und Französische Kunstwerke des 20. Jahrhunderts, S.73
Bonn 1970 (Museum Städtische Kunstsammlungen), E.W. Nay, Bilder aus den letzten Jahren, 1953-1968, Ausst.Kat.Nr.10
Düsseldorf 1967 (Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen), Kunst des 20. Jahrhunderts aus rheinisch-westfälischem Privatbesitz, Ausst.Kat.Nr.259
London 1960 (New London Gallery), Nay, Ausst.Kat.Nr.8
Basel 1960 (Kunsthalle), Willi Baumeister - Ernst Wilhelm Nay, Ausst.Kat.Nr.87 mit Abb. (mit rückseitigem Aufkleber, hier 4903)
Düsseldorf 1959 (Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen), E. W. Nay, Ausst.Kat.Nr.38
Hamburg 1955 (Kunstverein), Ernst Wilhelm Nay
Berlin 1952 (Haus am Waldsee), E. W. Nay, Retrospektive, Ausst.Kat.Nr.86
Berlin 1948 (Galerie Franz), Ernst Wilhelm Nay, Ausst.Kat.Nr.11 (hier betitelt: Zwei Frauen)