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Lot 208 Dα

Marianne von Werefkin - Rosalia Leiß

Auktion 1078 - Übersicht Köln
02.12.2016, 18:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 90.000 € - 100.000 €
Ergebnis: 111.600 € (inkl. Aufgeld)

Marianne von Werefkin

Rosalia Leiß
1908/1909

Tempera auf festem Malkarton 64 x 50 cm Gerahmt. Unbezeichnet. Rückseitig alt von fremder Hand mit Informationen zur Künstlerin und Dargestellten versehen. - Sehr farbfrisch erhalten.

Bei dem Bildnis der Rosalia Leiß handelt es sich nicht nur um ein beeindruckendes Porträt, sondern auch um eine typische und spannungsvolle Arbeit der russischen Künstlerin Marianne von Werefkin, Gefährtin Alexej von Jawlenskys und Mitbegründerin der N.K.V.M., aus der später die Künstlergruppe Blauer Reiter hervorgehen sollte.
Selbst früh bei Ilja Repin und anderen namhaften Malern ausgebildet, hatte sie sich vorgenommen, Jawlensky künstlerisch zu fördern. Finanziell mit einer zaristischen Rente unabhängig, zog Werefkin zusammen mit Jawlensky 1896 nach München. Gemeinsam fuhren sie 1906 zu Studienzwecken nach Frankreich.
Werefkin fühlte sich der Kunst der Nabis, dem Werk Van Goghs, Gauguins, Bernards und Anquetin verbunden und sollte diese Ideen auch später an Wassily Kandinsky und Gabriele Münter weitergeben, mit denen sie und Jawlensky sich in den folgenden Jahren in München befreundeten (Bernd Fäthke, Marianne Werfkin - „des blauen Reiterreiterin“, in: Ausst. Kat. Marianne Werefkin. Vom Blauen Reiter zum Großen Bären, Städt. Galerie Bietigheim-Bissingen/Museen Böttcher Straße/Paula Modersohn-Becker Museum Bremen 2014, S. 44). Gemeinsam, aber unabhängig voneinander, entdeckten sie Murnau als ländliche Zuflucht - 1909 sollte Münter dort ein Haus erwerben, das sogenannte „Russenhaus". Vorerst logierte man aber während der Sommermonate der Jahre 1907 bis 1909 im Gasthof.
Aus der Beschäftigung mit der heimischen bäuerlichen Volkskunst zogen sie künstlerisch neue Impulse, ähnlich vielleicht wie die Dresdner Brücke-Künstler auf der Suche nach Ursprünglichkeit ihr Heil in ozeanischer und afrikanischer Stammeskunst suchten.
Die Hinterglasmalerei faszinierte Kandinsky und seine Künstlerfreunde besonders, und auch von Werefkin existieren eigene an dieser bayerischen Malerei orientierte Werke (Fäthke, op. cit. Abb. 48, 49). Darüber hinaus schienen ihr die bayerischen Bauern selbst und ihre Bräuche interessant.
Das Bildnis der Rosalia Leiß ist bestimmt von der Einfachheit der Formen einerseits, vor dem sich andererseits das fein modellierte Gesicht des Modells abhebt. Aus diesem Spannungsfeld ergibt sich das besondere Interesse an dem Porträt: allgemeingültige, an die einfache Flächigkeit der Hinterglasmalerei erinnernde Form, gepaart mit individueller Linearität. Die Farbgebung in verschiedenen Grüntönen ist raffiniert kombiniert mit Violett. Werefkin stellt hier einen Komplementärkontrast zweier Sekundärfarben gegeneinander. Mit forschendem Blick ruhen Rosalias kühle Augen auf dem Betrachter, fast ein wenig belustigt. Nicht als einfache Bäuerin, sondern als die rückseitig so genannte „Landwirtsgattin“ Leiß verkörpert die 74-Jährige Würde und Selbstbewußtsein. Die Fortschrittlichkeit der malerischen Auffassung Werefkins wird im Vergleich mit dem ein Jahr darauf von Gabriele Münter gemalten Porträt desselben Modells offensichtlich, in dem weder psychologische Tiefe noch Kommunikation mit dem Betrachter angestrebt sind (s. Vergleichsabbildung).
„Am 1. Dezemer 1909 fand die Eröffnung der ersten Ausstellung der N.K.V.M. mit 16 Künstlern statt. 'Sie wurde dann eine große Ausstellung in München', so Jawlensky. […] Jawlensky war in der Ausstellung mit elf Arbeiten vertreten. Werefkin zeigte sechs Gemälde, darunter Schuhplattler, ein Gemälde, mit dem sie bayerisches Brauchtum würdigte. […] Werefkins Schuhplattler und ihre Hinterglasmalereien belegen, dass sich die russische Malerin für die bayerische Volkskunst engagierte.“ (Fäthke, op.cit., S. 46)
Werefkins Bildnis von Rosalia Leiß von 1908 wurde in dieser Ausstellung der „Neuen Künstlervereinigung München“ nicht gezeigt, sondern verblieb in der Familie der Dargestellten.

Provenienz

Direkt von der Künstlerin erhalten, seitdem in Familienbesitz

Ausstellung

Murnau 2000 (Schlossmuseum), 'Marianne Werefkin in Murnau. Kunst und Theorie, Vorbilder und Künstlerfreunde', Kat.Nr. 35 mit Farbabb. S. 81; Murnau 2008 (Schlossmuseum), 1908/2008. 'Vor 100 Jahren. Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin in Murnau', Kat.Nr. 61 mit Farbabb. S. 141