Ernst Wilhelm Nay - Mit Tropfenketten - image-1

Lot 282 D

Ernst Wilhelm Nay - Mit Tropfenketten

Auktion 1110 - Übersicht Köln
01.06.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 150.000 € - 180.000 €
Ergebnis: 372.000 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Wilhelm Nay

Mit Tropfenketten
1952

Öl auf Leinwand 100,4 x 120,4 cm Gerahmt. Unten rechts schwarz signiert und datiert 'Nay. 52'. - Rückseitig auf dem Keilrahmen oben schwarz signiert, betitelt und datiert 'NAY - "Mit Tropfenketten" - 1952'. - In schöner farbfrischer Erhaltung.

Ernst Wilhelm Nay ist einer der bedeutendsten Vertreter der abstrakten Malerei Deutschlands der Nachkriegszeit. Für ihn war die Abstraktion eine logische Konsequenz, aus der heraus, so der Künstler, er jenen „Komplex von Urformen in Verbindung mit Rhythmus und Dynamik“ zu gestalten sucht, um „das eigentlich formale Thema ... im Ganzen“ zu verwirklichen (E. W. Nay, Regesten zu Leben und Werk, 1958, zit. nach: E.W. Nay 1901 - 1968. Bilder und Dokumente, Kat. German. Nationalmuseum Nürnberg 1980, S. 62). Nay arbeitet in Serien von Beginn an. Mit der Musik vergleichbar entwickelt, variiert er Themen, Melodien, steigert sie zur kompositorischen Dramatik, entfaltet Dekadenzen, erfindet Farb- und Formkomplexe, auf deren bisweilen laute, dissonante Tonfolgen neue, harmonische Werkideen aufbauen. So folgen auf die sogenannten „Frankreich Bilder“ (1940-1945), die „Hekate Bilder“ (1945-1948), und aus den „Fugalen Bildern“ (1949-1951) entwickeln sich die „Rhythmischen Bilder“ (1952-1953), die wiederum langsam in die Vorstadien der „Scheibenbilder“ einführen. Aber so weit ist es noch nicht; der Künstler löst hier mit diesem Werk die Strenge einer Komposition auf: über die Leinwand verteilte Farbkonzentrationen und Variationen legt sich noch eine Erinnerung an die Gerüste fugaler Bilderzeit. Befreit von Ordnung öffnet Nay nun ein freies, ungezwungenes Zusammenspiel von Farben und Linien. Der Titel „Mit Tropfenketten“ suggeriert Ordnung und verweist auf gegenständliche Welten, gibt dem Betrachter scheinbare Orientierung mit der Entdeckung jener schwarzen, aneinandergereihten Tropfen und entlässt ihn gleichzeitig in einen Bereich des Unfassbaren: Was wir sehen, ist ein rhythmisch-expressives Gefüge aus Farben, Formen, Linien und schwarzen Punkten, jenen Tropfenketten, die zwar noch Assoziationen zulassen, sich jedoch der Zuordnung zu konkreten Dingen entziehen und zu einer unabhängigen, an die Fläche gebundenen Bildstruktur mit Andeutung an autonome Farbformen transformieren. Die Farben sind ausbalanciert und eingebunden in ein konstruktives Prinzip, losgelöst von materieller Gegenständlichkeit, emanzipiert von präzise geometrischer Bindung. Nay spricht den Betrachter über den Klang der kräftigen Farbakkorde an, provoziert Gefühle von Harmonie und Dissonanz mit seinen intuitiven Farbkompositionen, die je nach Kälte oder Wärme der Farbeigenschaften eine Empfindung vollendeter Ausgewogenheit, einnehmender Zuneigung oder vielleicht gar eine ablehnende Haltung auslösen können.

Werkverzeichnis

Scheibler 639

Provenienz

Villa Grisebach Berlin, Sammlung Claudia von Schilling, 11.6.2004, Los 1604; Privatsammlung Süddeutschland

Literaturhinweise

Werner Haftmann, E.W. Nay, Köln 1960, S. 152 f. mit ganzseitiger Abb. Nr. 42; Ders., Neuauflage 1991, S. 167 f. mit Farbabb. Nr. 57; E.W. Nay, Lesebuch. Selbstzeugnisse und Schriften 1931-1968, bearbeitet von Magdalene Claesges, Köln 2002, mit Farbabb. S. 106

Ausstellung

Neu-Delhi (u.a.O.) 1953 (Deutscher Künstlerbund); Hamburg 1955 (Kunstverein); Düsseldorf 1959 (Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen), Kat. Nr. 84; Münster 1964 (Westfälischer Kunstverein), Kat. Nr. 2 mit Abb.; Köln/Basel/Edinburgh 1990/1991 (Josef-Haubrich-Kunsthalle/Kunsthalle/Scottish National Gallery of Modern Art), E.W. Nay, Retrospektive - A Retrospective, Kat. Nr. 54 mit Abb. S. 114