Lot 91 D

Dass die Photographien des 1924 geborenen Künstlers Serge Vandercam heute nur einem vergleichsweise kleinen Publikum bekannt sind, lässt sich damit erklären, dass die Entstehungszeit seines photographischen Oeuvres nur wenige Jahre umfasst. Erste experimentelle Werke entstehen 1948, nur fünf Jahre später gibt Vandercam die Photographie zugunsten der Malerei und Bildhauerei wieder auf. Bedauerlicher Weise, so möchte man festhalten, denn in dieser kurzen Schaffensperiode entsteht ein einzigartiger photographischer Bilderkosmos, mit dem er damals innerhalb der belgischen Photographie eine singuläre Stellung einnimmt. Angesiedelt zwischen den Experimenten der Surrealisten, namentlich eines Man Ray und Brassaï, und der Subjektiven Photographie eines Otto Steinert, zeugen diese Photographien von einer außerordentlichen Experimentierfreude und Unbefangenheit im Umgang mit dem photographischen Material. Ganz in der Tradition des Surrealismus entbindet der Autodidakt Vandercam, seit 1949 Mitglied der Künstlergruppe CoBrA, in seinen Arbeiten die Photographie von ihrer Abbildungsfunktion und nutzt sie zur Schaffung höchst poetischer Bilder, die die Sehgewohnheiten ihrer Betrachter irritieren und zugleich der freien Imagination öffnen.
In besonders hohem Maße gilt dies für seine Aufnahme 'Mer du Nord. Nieuport', in der er die am Strand zurückgebliebenen Überreste militärischen Geräts aus dem Zweiten Weltkrieg einfängt. In der Nahaufnahme, isoliert aus seinem Kontext, verliert der Bildgegenstand an Lesbarkeit und gewinnt im Gegenzug, vergleichbar den „Sculptures Involontaires“ von Brassaï, eine ganz eigene, plastische Kraft.