Berenice Abbott
Nightview, New York
1932
Späterer Gelatinesilberabzug. 90,1 x 71,4 cm. Auf Originalkarton aufgezogen, dort unterhalb des Bildes rechts mit Bleistift signiert. Rückseitig mit Photographenstempel und von fremder Hand mit Bleistift bezeichnet.
Als Berenice Abbott nach achtjährigem Aufenthalt in Paris 1929 wieder nach New York zurückkehrte, war sie von den tiefgreifenden städtebaulichen Veränderungen, die sich in der Metropole in der Zwischenzeit vollzogen hatten, derart überwältigt, dass sie anfing, den Umbruch und die rasant fortschreitenden urbanen Entwicklungen mittels einer Großformatkamera, die sie eigens zu diesem Zweck erworben hatte, zu dokumentieren. Dabei widmete sie sich ihrer Arbeit mit jener Sorgfalt und Liebe zum Detail, die sie bei ihrem Pariser Vorbild Eugène Atget kennengelernt hatte. Auch er hatte sich - allerdings in Paris und dreißig Jahre zuvor - als Chronist urbaner Veränderungen betätigt - denkbar, dass auch dies ein Grund für Abbott war, sich mit dem Thema Wandel einer Großstadt zu beschäftigen.
Die ersten Jahre finanzierte Abbott ihre Arbeit durch kommerzielle Aufträge, die sie nebenher erledigte. 1935 erhielt sie eine Finanzierung für ihr Projekt Changing New York durch das Federal Art Project (FAP) und konnte sich von da ab ihrer Aufgabe vollständig widmen. 1937 wurden ihre Arbeiten in der gleichnamigen Ausstellung gezeigt. Als sie 1939 aus dem Projekt ausschied, hatte sie 305 Photographien fertiggestellt, die in den Bestand des Museum of the City of New York eingingen.
Der 1932 an einem frühen Abend im Dezember entstandene Blick von einer der obersten Etagen des Empire State Buildings auf das winterliche New York hat nichts von seiner atemberaubenden Wirkung auf den Betrachter eingebüßt. Die schwindelerregende Vogelperspektive, die massige Kubatur der Wolkenkratzer, übersäht von unzähligen kleinen Lichtpunkten der noch hell erleuchteten Büroetagen, das geheimnisvolle Aufleuchten einzelner, heller strahlender Aureolen üben eine magische Wirkung aus. Vor allem als großformatiger Abzug, wie er hier vorliegt, beeindruckt die Photographie durch ihre enorme Sogkraft und ihre geradezu futuristisch anmutende Modernität.
Provenienz
Nachlass Berenice Abbott
Literaturhinweise
Aperture Foundation (Hg.), Masters of Photography, Bd. 9: Berenice Abbott, New York 1988, S. 57 mit Abb.; Berenice Abbott, Bd.2: New York, Göttingen 2008, S. 54 mit Abb. und Abb. auf dem Buchtitel; Berenice Abbott, Ausst.kat. Centre National de la Photographie, Paris, London 2010, Tafel 20