Erich Heckel - Zirkusszene - image-1

Lot 239 D

Erich Heckel - Zirkusszene

Auktion 1143 - Übersicht Köln
29.11.2019, 18:00 - Moderne Kunst I
Schätzpreis: 40.000 € - 60.000 €
Ergebnis: 37.200 € (inkl. Aufgeld)

Erich Heckel

Zirkusszene
1946

Tempera auf Leinwand 96,8 x 120 cm Gerahmt (Originalrahmung). Unten rechts rotbraun signiert und datiert 'Erich Heckel 46' sowie rückseitig auf der weiß getünchten Leinwand oben rechts zusätzlich schwarz signiert und datiert 'Erich Heckel 46' und auf der Keilrahmenleiste oben links signiert, datiert und betitelt: 'Erich Heckel: "Zirkus-Scene." 1946'. - Auf der oberen Leiste des Originalrahmens links mit dem Pinsel beschriftet 'Erich Heckel. Hemmenhofen'. - In gutem Erhaltungszustand.

Künstler, Schauspieler, Artisten erscheinen oft als Seelenverwandte, sie folgen einer Berufung und einer Intuition, sie vollbringen wunderbare Kunststücke, sie scheinen stolz und frei den Naturgesetzen zu trotzen und sind doch stets gefährdet. Ihre Kunst, ihr wie spielerisches Können, sind ein Balanceakt über Abgründen. Zirkusartisten haben immer eine große Faszination auf ihr Publikum ausgeübt, weil sich mit ihnen Metaphysik und Tragik verbindet und ihr Bemühen in vieler Hinsicht als transparente Parabel auf die conditio humana begriffen werden kann. Nicht nur Farben, Atmosphäre, die Akrobatik und die Grotesken des Varietés und des Zirkus boten malerischen Stoff, das Spiel der Artisten und der Clowns vertrat inhaltlich reziproke Dualitäten. Heckel als Expressionist interessierte sich für diese subtilen Phänomene.

Auch seine "Zirkusszene" von 1946 ist in dieser Hinsicht ein geheimnisvolles, fast surreales Geschehen. Erich Heckel spielt auf der Bedeutungsebene wie im Bildprogramm verschiedene Momente aus in diesem "Finale", von dem man sich wünschte, dass ein Tusch alles beendete, sich alles wieder wendete, als wäre es ein etwas makabres Intermezzo gewesen. Der Maler wird tatsächlich nicht sehr explizit, nicht alles ist sichtbar... aber es ist ernst. Wer ist es, der da auf der Bahre liegt? Was bedeutet dieser feierliche Todes-"Abgang" - man kennt die Rituale, hier aus der Manege heraus und im Kostüm? Selbst das Tier leidet und betrauert den Tod des Gauklers oder war es ein Spaßmacher? Es hat jemanden erwischt. Der bewegte, alternde Clown scheint ein Alter Ego des Künstlers, ein "Weiser", und das tröstende, ewige Licht folgt in der Gestalt eines jungen weißen Pierrots mit brennender Kerze. Auf den Rängen, auf zentralem Logenplatz, ist ein Besuchersessel vakant. Ist alles Theater? Die Zuschauer der "Zirkusszene", einer verratenen "Nummer", sind still sitzen geblieben.

Unter den Brücke-Malern galt Erich Heckel als sensibler wie melancholischer Beobachter. Man vergisst leicht, welche Bedeutung er den Artisten, den Clowns und dem Zirkus in seinem Werk beimaß, da viele Gemälde dieser Thematik heute nicht mehr existieren, verbrannt sind oder verschollen. Das Thema durchzieht seit 1909/1912 alle Jahrzehnte seines Schaffens und in allen Techniken, vermehrt wieder in den 1920er und frühen 1930er Jahren, im Jahr 1940 und schließlich die Jahre nach der Katastophe des Weltkrieges. Parallel lief schon in den frühen 1910er Jahren eine dezidierte Todesthematik in Verbindung mit der Figur des Pierrots und des Clowns. Heckel ließ sich von Dostojewski und noch 1917 von Jean Paul anregen und fand auch im Stummfilm bzw. Film szenische Ausdrucksmomente, die nachwirkten. So ist das Gemälde "Lon Chaney" von 1930, ein im II. Weltkrieg zerstörtes Hauptwerk, von Heckel aus der Erinnerung wiederholt worden unter dem Titel "Clown vor dem Spiegel" (heute im Folkwang Museum, Essen) und zwar zeitgleich, 1946, zur vorliegenden "Zirkusszene". Heckel war ein einfühlsamer Porträtist, vergleichbare szenische Gestaltungen, insbesondere aber seine Selbstporträts, sind künstlerische Selbstbefragungen.

Werkverzeichnis

Hüneke 1946-5; Vogt 1946/4

Provenienz

Erich Heckel, Hemmenhofen; Beim Künstler erworben, ehemals Franz Elles, Köln (1965), Nachlass

Literaturhinweise

W. Kern, Erich Heckel, in: Internationale Bodenseezeitschrift 2, 1952, S. 40-44, insbesondere S. 43; Katharina Henkel, Dialog der Medien - Motive in Aquarell und Öl bei Heckel, Zirkuswelt, in: Magdalena M. Moeller (Hg.), Erich Heckel. Der Stille Expressionist. Aquarelle als Vorstudien zu Gemälden, Aust. Kat. (u.a.) Brücke-Museum Berlin, München 2009, S. 30, vgl. Kat. Nrn. 97, 98, jeweils mit Farbabb. des Gemäldes; Andreas Hüneke, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen, Bd. II., Hemmenhofen 2017, S. 291 mit Farbabb. (unter Hinweis auf 7 Aquarell-Vorstudien, darunter Stiftungen von Siddi Heckel an das Brücke-Museum)

Ausstellung

Darmstadt 1948 (Mathildenhöhe), Secession Darmstadt, Kat. Nr. 76; Freiburg im Breisgau/Mannheim 1950 (Kunstverein/Kunsthalle Mannheim), Erich Heckel, Kat. Nr. 38; Münster 1953 (Westfälisches Landesmuseum), Erich Heckel, Zur Vollendung des siebenten Lebensjahrzehntes, Kat.Nr. 87; Konstanz 1961 (Kunstverein), Erich Heckel, Kat. Nr. 20; Nürnberg/Pforzheim 1964 (Fränkische Galerie/ Kunst- und Kunstgewerbeverein), Erich Heckel, Kat. Nr. 28