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Lot 94 Nα

Jankel Adler - Liegendes Mädchen (Reclining Girl)

Auktion 1155 - Übersicht Köln
19.06.2020, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 35.000 € - 45.000 €
Ergebnis: 50.000 € (inkl. Aufgeld)

Jankel Adler

Liegendes Mädchen (Reclining Girl)
1941

Öl und Sand (auf dünnem Karton) auf Sperrholz 55,5 x 77,5 cm Gerahmt. Oben links rot signiert 'Adler'. - Der pastose Farbauftrag partiell mit Craquelé. Vereinzelte Farbverluste, mit professionellen Retuschen im Rahmen älterer konservatorischer Maßnahmen.

Jankel Adlers "Liegendes Mädchen", eine opake, farblich dunkel glühende Komposition, entstand im schottischen Exil, nachdem der Künstler mit polnischen Truppen, denen er sich in Frankreich 1940 als Freiwilliger angeschlossen hatte, auf der Flucht vor der deutschen Armee über St. Nazaire in Glasgow gestrandet war. Trotz einer Herzerkrankung, der Jankel Adler früh mit 53 Jahren 1949 in Aldbourne erliegen sollte, folgten nun wenige Jahre, die mit intensiver Arbeit und neuen Freunden sich erfüllten. Er traf auf viele andere Exilanten in Glasgow und London, es bildeten sich kriegsbedingt neue Zirkel und Gemeinschaften. Als Maler wirkte er vor Ort auch unter britischen Künstlern und Literaten, insbesondere mit Samuel Beckett soll Jankel Adler enger befreundet gewesen sein.
Jankel Adlers eigenes Werk befand sich 1941 im erneuten Aufbruch: "Er wollte als Künstler überleben, als Individuum, das mit der künstlerischen Form Zeugnis geben könnte: 'Die äußerliche Form einer jeden Sache und ein jeder Mensch tragen auf sich den Stempel des Schicksals, aber entziffern kann diese Sprache nur ein ideeler Mechanismus, wie es ein ausgewählter Mensch ist, der Künstler.' " (Jankel Adler 1929, zit. nach Ulrich Krempel, Vom Expressiven zum Konstruktiven, von der Sachlichkeit zum Abstrakt-Symbolischen, in: Ausst. Kat. Düsseldorf/ Tel Aviv/ Lodz, op.cit., 1985, S. 195 und Anm. 15, S. 200).
In diesem Sinn verschränken sich im figuralen Motiv des "Liegenden Mädchens" von 1941 viele elementare Werkkonstanten, die Jankel Adler seit den 1920er Jahren auszeichnen, mit den Ausformulierungen einer nun abgewandelten, noch radikaleren Abstraktion. Typische Elemente, wie die eigentümliche Materialität und Flächenorganisation des Bildes, die monumentale Auffassung der menschlichen Figur und das Gestische sind solche älteren, unübersehbaren Konstanten. Stark formalisierte und betonte lineare Konturen, dezidierte Wechsel in den Ansichten innerhalb der Gestalt, die Parzellierung von Details und die abstrakte Dynamik der Binnenstrukturen sind neue Ausdruckselemente. Diese stilistischen Brüche, die sich für Jankel Adler aus äußerer wie innerer Notwendigkeit ergaben, waren nicht zuletzt geprägt von der persönlichen Begegnung mit Paul Klee und - nach 1933 im französischen Exil - von dem Erlebnis der Bild- und Formwelten Pablo Picassos.

Werkverzeichnis

Heibel II, 197; Charles Aukin 52 (Londoner Nachlass-Listung)

Provenienz

Besitz des Künstlers bis 1948; Charles Aukin (nach Heibel eine Übereignung); Gimpel Fils, London (dort Mitte der 1970er Jahre erworben); seitdem Sammlung Tamara und Schmuel Givon, Tel Aviv, Familienbesitz

Literaturhinweise

Paul Fierens, Jankel Adler, London/ Paris 1948, mit Abb. 14; Stanley William Hayter, Jankel Adler, London/ Paris/ Brüssel 1948, mit Abb. 14; Joanna Pollakówna, Die gerettete Welt. Über Jankel Adlers Malerei, in: Jürgen Harten (Hg. u.a.), Jankel Adler 1895-1949, Ausst. Kat. Düsseldorf/ Tel Aviv/ Lodz, Köln 1985, S. 250; vgl. Anne Mitzen, Umbrüche, Experiment und Transformation in den 1930er Jahren: Jankel Adler im Dialog mit Paul Klee, Stanley W. Hayter und Pablo Picasso, in: Antje Birthälmer/ Gerhard Finckh (Hg.), Jankel Adler und die Avantgarde, Chagall/ Dix/ Klee/ Picasso, Ausst. Kat. Von der Heydt Museum, Wuppertal 2018, S. 131 ff. sowie zum britischen Exil, Sarah MacDougall und Rachel Dickson, ebenda, S. 145 ff.

Ausstellung

London 1946 (Anglo-French-Art-Center), Jankel Adler, Francis Bacon, Robert Colquhoun, Hubert, Robert MacBryde, Julian Trevelyan (nach Heibel belegt durch Fotodokument); London 1959-1961 (Waddington Galleries, nach Heibel über Charles Aukin); Edinburgh/ Glasgow/ Aberdeen 1968 (Scottish National Gallery of Modern Art/ Scottish Arts Council Gallery/ Art Gallery and Regional Museum), New paintings in Glasgow 1940-1946, Nr. 4; Tel Aviv 1977 (Rosenfeld Gallery), Jankel Adler, Nr. 5; Düsseldorf/Tel Aviv/Lodz 1985/1986 (Städtische Kunsthalle/The Tel Aviv Museum/Museum Sztuki), Jankel Adler, Kat Nr. 84 mit Abb. (mit rückseitigem Ausstellungs-Etikett des Tel Aviv Museum, hier Kat. Nr. 65)