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Lot 360 Dα

Zurückschauender Tiger. Elfenbein. Ca. 1780

Auktion 1190 - Übersicht Köln
11.12.2021, 11:00 - Asiatische Kunst
Schätzpreis: 8.000 € - 10.000 €
Ergebnis: 37.500 € (inkl. Aufgeld)

Zurückschauender Tiger. Elfenbein. Ca. 1780

In katzenartiger Manier hat das Raubtier die Vorderpfoten zusammengelegt und wendet sich mit angehobenem Kopf zurück. Der lange Schwanz ist teilweise in Schlangenlinien über den Rücken gelegt, während die Tatzen alle in einer unterschiedlichen Haltung dargestellt sind, leicht angehoben oder zur Seite gehalten. Die Fellzeichnung besteht aus Fellstreifen, ovalen Punkten und kurzen Fellgravuren. Auf der Unterseite sind zwischen den Gelenken der Hinterbeine deutlich die männlichen Geschlechtsteile wiedergegeben. Ungewöhnlich weit sind die Kordellöcher, gut ausgehöhlt und tief die Schnurführung.
H 3,5 cm; B 4,5 cm

Bis heute üben die kraftvollen - zumeist aus Elfenbein geschnitzten - Netsuke der sog. Kyoto-Schule des 18. und 19. Jahrhunderts eine einzigartige Attraktivität auf Sammler aus und sind historisch oder motivisch bedingt eminenter Bestandteil jeder Netsuke-Sammlung. Obgleich die Kyoto-Schule eine große Anzahl an Schnitzern über eine deutliche längere zeitliche Periode umfasst, ermöglicht diese Bezeichnung dennoch eine trennschärfere Eingrenzung auf eindeutige Stilmerkmale, als dies bei vielen anderen Schulen möglich wäre. Gleichsam erlaubt die hohe Anzahl unsignierter Stücke anregende Diskurse über evtl. Autorschaft, vereinen doch nur wenige andere Schulen eine derart große Zahl wichtiger, weil stilprägender Schnitzer. Als Dreigestirn der Netsuke-Schnitzer Kyotos sind im 18. Jh. Yoshinaga, der „Schnitzerfürst“ Masanao und Tomotada zu nennen. Während sich Masanao mit der teils karikaturesquen Ausgestaltung seiner Arbeiten klar von seinen Zeitgenossen abgrenzt, fällt die Unterscheidung zwischen Tomotadas Arbeiten und jenen seiner Schüler deutlich schwerer. Gründe dafür mögen einerseits die gestalterischen Scheuklappen eines Lehrer-Schüler-Verhältnis gewesen sein, andererseits auch die hohe Nachfrage nach den populären Darstellungen Tomotadas. Diese verlangten nach höheren Produktionszahlen, der sich auch die Schüler anzunehmen hatten. Im Falle Tomotadas seien primär die Ochsen genannt, jedoch erfreuten sich auch Tiger aufgrund Ihrer symbolischen Bedeutung großer Beliebtheit. Ein weiterer wichtiger Grund für die annährende Standardisierung der Tigerdarstellung lag darin, dass Tiger nicht Teil der japanischen Fauna waren, und man sich lediglich auf Malereien und Zeichnungen, die über Korea aus China nach Japan kamen, berufen konnte.
Auch das vorliegende Stück bewegt sich im oben beschriebenen Spannungsfeld aus nachfragegesteuerter Produktion und Kulturhistorie und ist dem Schnitzer Yamaguchi Okatomo aus Higashiyama, Kyoto zuzuschreiben. Komposition, Fellzeichnung und Form der Kordellöcher zeugen von großer Nähe zur Werkstatt Tomotadas. Auch die buschigen Augenbrauen sind bei beiden Schnitzern zu finden. In Form ovaler Kissen scheinen sie auf der Stirn aufzuliegen, Okatomo bindet diese jedoch stärker in den Ausdruck der Tiere ein, indem er sie auf Höhe der Augen stärker einzieht und seinen Tigern so die Ausstrahlung leichten Ärgernisses verleiht. Zudem fallen im Gegensatz zu Tomotada die Hinterläufe der Okatomo'schen Tiger kürzer aus, während die Vorderbeine wesentlich kraftvoller und differenzierter ausfallen. Auch die verhältnismäßig geringe Größe im Vergleich zu den Arbeiten Tomotadas spricht für die Hand Okatomos. Der Umstand, dass diese Arbeit stilistisch stark an Tomotade erinnert, legt nahe, dass es sich um eine frühe Arbeit Okatomo handelt.

Provenienz

Privatsammlung, Norddeutschland