Bronzeplastik. Höhe 35,5 cm. Am hinteren Plinthenrand rechts mit der Signatur E. Barlach sowie mit der eingeschlagenen Exemplarnummer 2/10 versehen sowie rückseitig am Unterrand mit den eingeschlagenen Gießerstempeln H. NOACK BERLIN FRIEDENAU. - Mit bräunlich-dunkler, teils bronzefarben aufgelichteter Patina. Im Innern mit Resten eines Etiketts, vermutlich von der Galerie Flechtheim.
Sehr selten. Nach Schult wurde die 1930 von der Galerie Alfred Flechtheim angekündigte Auflage von 10 Güssen mit nur wenigen Stücken erfüllt.
Schult I, 74
Die Plastiken der Jahre 1906 -1908 markieren den ersten Höhepunkt im Schaffen des Bildhauers Ernst Barlach. "Bettlerin mit Kind" ist dabei das bedeutendste Werk in der Auseinandersetzung mit den Eindrücken von der Rußlandreise. Der Künstler hatte zwar schon während seiner Studienjahre in Hamburg, Dresden und Paris Gestalten und Szenen des Alltagslebens skizziert, doch erst eine zweimonatige Reise durch Südrußland im Jahre 1906 führte ihn weg von den künstlerischen Zielsetzungen des Jugendstils, der seine frühen Arbeiten stark beeinflußt hatte. Selbst ohne Kenntnis der Gebräuche und Sitten sowie der Sprache teilten sich ihm in den von einer latent revolutionären Stimmung geprägten russischen Dörfern und Kleinstädten Gemüt und Intensität der Empfindungen der einfachen Menschen mit, die dem schweigsamen Norddeutschen vertraut wurden.
"Ich fand in Rußland diese verblüffende Einheit von Innen und Außen, dies Symbolische: So sind wir Menschen, alle Bettler und problematische Existenzen im Grunde. Darum mußte ich gestalten, was ich sah, und natürlich wuchs in mir unter den leidenden, simplen, sehnenden, aus sich heraus verlangenden und darum lasterhaften, dem Trunk, Gesang, Musik verfallenen Menschen ein brüderliches Gefühl." (Brief vom 6.10.1920 an den Bruder Karl Barlach, Sammlung Reemtsma, zitiert nach Eva Caspars, Ernst Barlach Haus, Sammlung Reemtsma, München o.J., S. 28).
Friedrich Schult hat in seinem Werkverzeichnis eine Photographie von Berthold Kegebein aus dem Jahr 1935 veröffentlicht, die den Künstler in seiner Güstrower Werkstatt vor dem "Fries der Lauschenden" zeigt; er lehnt sich dabei an einen drehbaren Arbeitstisch, auf dem eine ca. 60 cm hohe Fassung der "Russischen Bettlerin mit Kind" als Holzskulptur steht, die im Werkverzeichnis aber selbst nicht aufgeführt ist (vgl. Abb.)
Werkverzeichnis
Schult I, 74
Provenienz
Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf und Berlin; Nachlaß Tilla Durieux
Literaturhinweise
Ernst Barlach. Ein selbsterzähltes Leben, Berlin 1928, Abb. Nr. 64; C. D. Carls, Ernst Barlach. Das plastische, graphische und dichterische Werk. Berlin 1931, S. 41 mit Abb.
Ausstellung
Berlin und Düsseldorf 1930 (Galerie Alfred Flechtheim), Bronzen von Ernst Barlach, Kat. Nr. 1