Lesser Ury - Dame im blauen Kleid im Café - image-1
Lesser Ury - Dame im blauen Kleid im Café - image-2
Lesser Ury - Dame im blauen Kleid im Café - image-1Lesser Ury - Dame im blauen Kleid im Café - image-2

Lot 221 D

Lesser Ury - Dame im blauen Kleid im Café

Auktion 943 - Übersicht Köln
28.05.2009, 16:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 70.000 € - 90.000 €
Ergebnis: 84.000 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf Leinwand 76,3 x 51,5 cm, gerahmt. Mit einer Expertise von Sibylle Groß, Berlin, vom 7.4.2009; das Gemälde wird in ihren in Vorbereitung befindlichen Oeuvrekatalog aufgenommen.

Mit dem Motiv der Caféhaus-Bilder entsprach Lesser Ury den Ansprüchen eines großbürgerlichen Berliner Publikums, welches nach 1871 in den Gründerjahren sein gesellschaftliches Leben in noblen Restaurants und Cafés zubrachte. Besonders die baumbestandene Allee Unter den Linden hatte sich von einer vornehmen Wohnstraße zu einer regelrechten Flaniermeile mit Hotels, Restaurants, Cafés, Banken, Agenturen und sonstigen Geschäften gewandelt. Zu den bevorzugten Lokalen nicht nur von Lesser Ury zählten dabei die von Hiller (schräg gegenüber vom Hotel Adlon) und Dressel; sie waren die Klassiker des intimen Restaurants französischen Zuschnitts, wobei Einrichtungsstil und Ambiente des auf dem vorliegenden Bild dargestellten Restaurants dem Standard des Restaurants Hiller entsprachen.
"Das Restaurant als Kunstwerk war Dressels und Hillers Lebensideal. Essen und Trinken sollte man in harmonischer Umgebung, die ganz vom Komfort der Sachlichkeit erfüllt war. Spiegel und Bilder, Portieren und Wandbespannungen sollten die Stimmung heben, auf keinen Fall jedoch ein zu persönliches Leben haben. Man sollte sein Zuhause vergessen, das Restaurant nicht mit der Wohnung verwechseln, man sollte bequem sitzen und weder durch zu hohe, noch durch zu niedrige Temperaturen gestört sein. [...] Auf den ersten Blick wirkte Hillers Restaurant wie eine Kopie von Dressel, jedoch war es förmlicher und suggerierte dem Mann aus der Provinz, der über seine dicken Teppiche schritt, er dürfe nur flüstern ... " (Walter Kiaulehn, Berlin, Schicksal einer Weltstadt, Berlin 1997, S. 225 f., zit. nach der Expertise von Sibylle Gross).
Die intime Atmosphäre dieser Gasthäuser, mehr noch ihre Besucher haben Lesser Ury Zeit seines Lebens fasziniert. Wie so manches Mal ist auch bei dem vorliegenden Bild später der Versuch unternommen worden, die dargestellten Personen zu identifizieren. In der allein sitzenden Dame im blauen Kleid vermutete der erste Besitzer Dr. Winterhoff ein Portrait von Meta Streiter, der geheimnisumwittert-vertrauten, aber auch vor der Öffentlichkeit verheimlichten Gefährtin der letzten 30 Lebensjahre von Lesser Ury. Der Mangel an authentischen Portraitphotographien hat aber bisher ihre Identifizierung auf Bildern dieses Malers nicht erlaubt.

Provenienz

Nachlass des Künstlers; Auktion 21 (Nachlass Lesser Ury) bei Paul Cassirer, Berlin, 21.10.1932, Kat. Nr. 59; Dr. Reinhard Winterhoff, Berlin (1932), später in dessen Familienbesitz, Hamburg (bis 1995); Galerie Schwarzer, Düsseldorf; Privatbesitz Rheinland (seit 1997)