Lovis Corinth - Amaryllis, Flieder und Anemonen - image-1

Lot 258 Dα

Lovis Corinth - Amaryllis, Flieder und Anemonen

Auktion 979 - Übersicht Köln
31.05.2011, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 400.000 € - 500.000 €
Ergebnis: 508.200 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf Leinwand, alt doubliert 80 x 70,3 cm, gerahmt. Oben rechts in die noch nasse Farbe schwarz signiert und datiert LOVIS CORINTH 1920. - In der oberen Bildpartie mit schwachem Craquelé.

Berend-Corinth 792, mit ganzseitiger Abb. S. 757

"Passion und rauschhafter Genuss, Apokalypse und unschuldiges Glück, Martyrium und Bacchanal, dies sind die Extreme, denen Corinth seine Sujets entnimmt. Im Werk dieses Kämpfers vereint sich Phantasie mit Beobachtung und taucht in stets starke Empfindungen ein." (Michael F. Zimmermann, Corinth und das Fleisch der Malerei, in: Ausst. Kat. Lovis Corinth und die Geburt der Moderne, Paris/Leipzig/Regensburg 2008/2009, S. 320)
In breiten Pinselschwüngen sind symphonisch aufeinander abgestimmte Farbvaleurs in Violett-, Brombeer- und Rottönen gleichsam tänzerisch rhythmisiert, malerisch meisterhaft mit einem durch Graublau-, Grün- und Rosabeimischungen charakterisierten, blendend frischen Weiß kostbar aufgelockert. Der Farbauftrag ist skulptural haptisch und läßt auf die körperliche Energie des Malers schließen.
Erfrischend unbestimmt zwischen konkretem Motiv und freier gestischer Malerei steht das angebotene Stilleben als prominentes Beispiel der Modernität Corinths, der hier Impressionismus in seiner sensuellen Empfindung und Expressionismus in seinem Ausdruck des ursprünglichen künstlerischen Willens malerisch verbindet. Bis heute hat dieses Werk nichts an kunsthistorischer Brisanz eingebüßt.
Schwere Fliederdolden, Calla und fein gestreifte Amaryllisblüten sind, wie Charlotte Berend-Corinth im Werkverzeichnis beschreibt, arrangiert in einer florentinischen Bronzevase, und werden flankiert von einem kleinen "mit bunten Anemonen" gefüllten Wasserglas - wobei es sich bei diesen eher um rote Nelken handeln dürfte. Die Bildwirkung ist dergestalt, daß nicht nur der Gesichts-, sondern auch der Geruchssinn des Betrachters angesprochen wird und in feinem Fliederduft zu schwelgen meint. Die ephemere Sensation eines prachtvollen Parfums ist dem Auge erhalten in diesem selten angebotenen großen Blumenstilleben aus der interessantesten und besten Werkphase Corinths, die ab 1919 mit seinen Aufenthalten in Urfeld am Walchensee beginnt.
Gegenüber sechs weiteren 1920 entstandenen Blumenstilleben zeichnet sich das vorliegende durch seine besondere, beinahe formatsprengende lebendige Üppigkeit und die sehr gelungene feine Balance zwischen natürlicher Motivschilderung und reiner Malerei aus (vgl. Berend-Corinth 790-794, 796, 799). So verwundert es nicht, daß es schon drei Jahre nach seiner Entstehung in der großen, zum 65. Geburtstag des Künstlers in der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais ausgerichteten, Retrospektive ausgestellt wurde und zeigt auch Corinths eigene Wertschätzung dieses musealen Gemäldes.

Werkverzeichnis

Berend-Corinth 792, mit ganzseitiger Abb. S. 757

Provenienz

D. Leder, Berlin; Ketterer München 29.11.1993, lot 61, farb. Katalogtitel; Rheinische Privatsammlung

Ausstellung

Berlin 1923 (National Galerie, Kronprinzenpalais), Lovis Corinth (zum 65. Geburtstag), Einhundertsiebzig Bilder aus Privatbesitz, Nr. 75