Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl wurde am 31. Oktober 1939 in Lindau am Bodensee geboren. Zur Fotografie kam sie auf Umwegen und als Autodidaktin: Herlinde Koelbl studierte zunächst Modedesign in München, heiratete und bekam vier Kinder, darunter die Journalistin Susanne Koelbl (* 1965). Erst Mitte der 1970er Jahre, nachdem sie lange nur für die Familie gelebt hatte, entdeckte sie die Fotografie für sich und eignete sich das notwendige Wissen im Selbststudium an. Viel mehr ist nicht bekannt über das Privatleben der Künstlerin, die biografische Daten nur sehr spärlich preisgibt und sich lieber über ihre Bilder identifiziert. Diese Bilder fanden früh Anklang und erschienen schon bald in so renommierten Zeitungen wie der Zeit und der New York Times. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Herlinde Koelbl mit ihrem 1980 erschienenen Fotobuch Das deutsche Wohnzimmer, es folgten weitere Bände mit Aktbildern von Männern und Frauen. Ein internationales Echo fand ihr 1989 publiziertes Werk Jüdische Porträts. Fotografien und Interviews, dessen Bilder im Jüdischen Museum Frankfurt und weiteren Museen ausgestellt wurde.

Herlinde Koelbl versteht die Fotografie nicht als Beruf, sondern als Teil ihres Lebens. Für ihre oft umfangreichen Bildprojekte investiert sie entsprechend viel Lebenszeit, mitunter sind es mehrere Jahre, die eine Bilderserie in Anspruch nimmt. Das Fotografieren ist für die gefeierte Porträtistin auch ein Akt der Begegnung, bei dem sie sich selbst zurücknimmt und vor allem ihr Gegenüber zu Wort kommen lässt – ganz im Wortsinn, denn bevor Herlinde Koelbl den Auslöser drückt, führt sie nach Möglichkeit ein ausführliches Gespräch, um dem Menschen, den sie ins Bild setzt, näherzukommen. Dabei gelingen ihr unerwartete und überraschende Einblicke: Für ihre vielbeachtete Bilderserie Kleider machen Leute porträtierte sie Menschen in Uniform bzw. Dienstkleidung und in privater Gewandung und stellte die Bilder einander gegenüber. Das spektakulärste und langwährendste Projekt Herlinde Koelbls war die von 1991 bis 1998 aufgenommene Bildserie Spuren der Macht – Die Verwandlung des Menschen durch das Amt, für das die Künstlerin Politiker wie Gerhard Schröder und Joschka Fischer jährlich fotografierte und die Veränderung in den Gesichtszügen durch das Amt sichtbar und nachvollziehbar machte. Auch Angela Merkel wurde von 1991 bis 2021 porträtiert und entwickelt sich auf Herlinde Koelbls Bildern von einer jungen, zurückhaltenden Frau zu einer machtbewussten Staatsführerin.

Herlinde Koelbl gilt vor allem als großartige Menschenfotografin und hat sich erst spät in ihrer Karriere auch anderen Motiven zugewandt. Für ihre Kunst erhielt Herlinde Koelbl Preise und Auszeichnungen in großer Zahl, darunter die Goldene Kamera für ihren Dokumentarfilm Spuren der Macht (2000), der begehrte Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (2001), das Bundesverdienstkreuz am Bande (2009), der Bayerischen Verdienstorden (2013) und der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München (2015).

 

Herlinde Koelbl lebt und arbeitet in Neuried nahe München.