Jeanne Mammen gehört neben Hanna Höch und Käthe Kollwitz zu den wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Als unbestechliche Chronistin der Weimarer Republik gab sie wieder, was sie sah, ohne ideologisch zu werten – und schuf auf diese Weise das faszinierende und präzise Zeugnis einer längst versunkenen Ära.
(...) WeiterlesenJeanne Mammen - Künstlerische Ausbildung in Paris, Brüssel und Rom
Jeanne Mammen wurde am 21. November 1890 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Gustav Oskar Mammen geboren. Sie wuchs in Paris auf, besuchte dort das Lycée Molière und studierte ab 1906 an der Académie Julian Malerei. Ihr Studium setzte sie 1908 in Brüssel an der Académie royale des Beaux-Arts und 1911 in Rom an der Scuola Libera Academia fort. Ihr Frühwerk bestand überwiegend aus symbolistischen Aquarellen, für die sie literarische Vorlagen wie Die Versuchung des heiligen Antonius von Gustave Flaubert verarbeitete. In den Jahren 1913 und 1914 besuchte sie den Pariser Tanzpalast Bal Bullier und malte die Frauen, die dort verkehrten. Die glücklichen Jahre endeten für Jeanne Mammen, als sie und ihre Familie mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs völlig mittellos vor einer drohenden Internierung nach Berlin flüchten musste. Das Vermögen des Vaters wurde vom französischen Staat beschlagnahmt. In ihrer neuen alten Heimat verdiente Jeanne Mammen ihren Unterhalt zunächst als Modezeichnerin, was ihr gerade zu Anfang aufgrund ihrer mangelhaften Kenntnisse der deutschen Sprache schwerfiel. Die Kriegsjahre prägten die Künstlerin durch Elend und fortwährenden Überlebenskampf, den sie endlich gewann.
Große Erfolge in den Berliner »Roaring Twenties«
1919 konnte sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Marie Luise Mammen, genannt Mimi, ein Wohnatelier am Kurfürstendamm beziehen, das sie bis zu ihrem Ende nicht mehr verlassen sollte. Die 1920er-Jahre brachten Jeanne Mammen künstlerischen und kommerziellen Erfolg, zahlreiche Bilder von ihr erschienen in renommierten Zeitschriften, sie konnte ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Gurlitt durchführen und schloss bleibende Freundschaft mit dem Ingenieur und Bildhauer Hans Uhlmann. 1932 zeigte sie während einer Reise nach Moskau Sympathien für den Sozialismus. Ihre Motive sammelte sie durch scharfe Beobachtung auf der Straße, ihre spitzen Karikaturen und pointierten Darstellungen brachten ihr sogar das Lob des großen Satirikers Kurt Tucholsky ein. Auf dem Höhepunkt ihrer künstlerischen Laufbahn war es wieder ein Weltkrieg, der für Jeanne Mammen alles änderte und ihre vertraute Welt zum Einsturz brachte.
Innere Emigration während der NS-Herrschaft
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten stand Jeanne Mammen wieder vor dem Nichts: Die Zeitschriften, in denen sie ihre Bilder veröffentlichen konnte, wurden über Nacht verboten, sie selbst musste eine Scharade leben, um nicht als entartete Künstlerin mit einem Berufsverbot belegt zu werden. Sie tarnte sich als Gebrauchsgrafikerin und malte offiziell, was die neuen Machthaber sehen wollten. Tatsächlich ging sie aber in die innere Emigration und malte hinter verborgenen Türen, was dem braunen Zeitgeist widersprach. Nach dem Krieg arbeitete Jeanne Mammen als Übersetzerin und malte abstrakte Werke, konnte aber nicht an den Erfolg ihrer Weimarer Zeit anknüpfen.
Späte Wiederentdeckung und Würdigung
Jeanne Mammen starb am 22. April 1976 nach schwerer Krankheit in ihrer Geburtsstadt Berlin. An dem Haus, das einst ihr Atelier beherbergte, befindet sich heute eine Gedenktafel, die an eine ungewöhnliche Künstlerin und ihr Werk erinnert. Diese Wertschätzung wurde ihr nicht immer zuteil: In den Jahren vor ihrem Tod war sie zeitweise in Vergessenheit geraten, sicher auch bedingt durch die schwierige Zeit der NS-Diktatur. Erst 1971 wurden ihre Werke wieder auf Ausstellungen in Hamburg und Stuttgart gezeigt, und in den 1990er-Jahren erfasste eine regelrechte Mammen-Welle die Kunstwelt. Heute ist die Berliner Künstlerin nicht nur unter Kritikern und Sammlern ein fester Begriff und es werden für Werke von Jeanne Mammen Preise in achtbarer Höhe bezahlt.
Jeanne Mammen - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: